Mittwoch, 2. Januar 2008

Ny batteri

Frohes neues Jahr!! Hier ist der neue Eintrag: Geschrieben am 29.12.2007, aber jetzt erst veröffentlicht. Viel Spaß.


...ich wache schon vor der eingestellten Weckzeit auf und gehe in die Küche, um mir ein kleines Frühstück zu bereiten. Sieben Uhr morgens in Athen. Weihnachtstag und alles schläft. Ich putze mir die Zähne und packe den Kulturbeutel in den Koffer. Schuhe anziehen, Rollos herunterlassen und „ByeBye-Zettel“ unter die Türen schieben. Ein letzter Blick, bevor ich die Tür schließe und mich auf den Weg zum Flughafen mache. Ein milder Morgen. Mein Koffer klackert auf dem modernen Kopfsteinpflaster und zieht einige Blicke auf sich. In der Metro sehe ich viele Kinder, die eine Triangel schlagen und dazu ein Liedchen singen. Danach sammeln sie Geld von der Fahrgästen, die es ihnen offensichtlich auch gerne geben. Am Flughafen erwartet mich eine kleine Fee, die mir ein Schokoladenstück in die Hand drückt. Darauf steht „Happy new year“ geschrieben. Neben ihr watschelt ein Daffy Duck, der von etlichen Kindern umringt wird. Ich gehe weiter zum Terminal A 12-14 und gebe meinen Koffer auf. Danach geht’s direkt durch den Sicherheits-Check in die Wartehalle. Der Flieger kommt, ich steige in den Bus und steige in den Airbus, welcher u.a. über die Alpen fliegt...und der mich nach Hause bringt.

Landeanflug. Ich sehe die kahlen Bäume und weiße Schrift auf blauen Autobahnschildern. 3-2-1 Touchdown. Peinlicherweise klatschen die Fluggäste. Ich schaue aus dem Fenster und weiß nun ganz genau, wieder in dem Land zu sein, in das ich mich in so vielen Momenten hin sehnte. Ja, ich werde sentimental. Der Gedanke, meinen Vater gleich zu sehen erzeugt emotionale Schübe und benetzt meine Augen mit einem leichten Tränenfilm. Aber ich reiße mich zusammen, hole meinen Koffer und gehe zum Ausgang. Da steht er, der Bär. Wir umarmen uns und gehen zum Auto. Vorbei
geht es an den Köln, Wuppertal und Recklinghausen. Meine Augen saugen die Landschaft auf wie Schwamm. Alles ist mir so bekannt, und dennoch entdecke ich nun einiges neu.
Als ich die Haustür öffne und meine Mutter mich sieht, lässt sie alles stehen und liegen, umarmt mich ganz feste und küsst meine Wangen. Sie hat sich bestimmt auf die Zehenspitzen gestellt um das zu bewerkstelligen. Und da standen wir für gefühlte 10 Minuten und drückten uns. Es ist ein unglaublich eindringliches und warmes Gefühl, wenn man sich nach mehreren Monaten das erste Mal wieder gegenübersteht. Wenn die große und unüberwindlich erscheinende Distanz nun nicht mehr vorhanden ist und die geliebten Menschen zum Greifen nahe sind. Dann erscheinen einem die vergangenen Wochen, die in der Ferne manchmal nie enden wollten, wie ein Wimpernschlag. Ein kleiner Augenblick, welcher auch gestern hätte stattfinden können.
Wir aßen zu Abend und hörten das Weihnachts-Album von James Last, das zwar kitschig-idyllisch ist, aber doch immer wieder zum gegebenen Anlass passt. Später gingen wir ins Wohnzimmer und der Reihe nach überreichte jeder jedem seine Geschenke. Meine Eltern und meine Oma haben sich sehr über die Vasen aus Athen gefreut. Genauso wie meine Schwester, der ich ein schmuckes Shirt aus Hellas mitbrachte. Ich selber wurde ebenfalls reich beschenkt mit DVD's, Schlafanzügen (Oh Mann, ich werde alt ;-)), Geld und Büchern. Tereza hat mir auch ein Geschenk mitgegeben. Ein Bilderbuch zum Ausmalen, in welches sie auf Griechisch, Englisch, Tschechisch und Deutsch
Gedichte hineinschrieb, die unsere Freundschaft untermauern sollen. Darüber, und über viele andere Dinge habe ich mich sehr gefreut. Am meisten freute es mich jedoch, wieder im Kreise der Familie zu sein. Wir tranken Wein und ich erzählte ein wenig von Athen. So wurden Sekunden zu Minuten und Minuten zu Stunden.
Gegen halb elf verabschiedete ich mich, um, wie jeden Heiligabend, in den „Wurstkessel“ zu gehen.

Ich zog also meine Schuhe an, streifte mir eine Jacke über und packte meine Handschuhe in die Tasche. Dann verließ ich das Haus und hörte etwas, was ich schon lange nicht mehr so intensiv wahrnahm: Stille. Sie drang durch meine Ohren wie ein heilender Balsam, wirkte wie „Wick Vapo-Rub“ auf erkälteten Atemwegen oder wie Wasser, das man auf loderndes Feuer gießt. Sie drang in mich und verteilte sich in meinem ganzen Körper. Es war viel zu schön, um wahr zu sein. Selten habe ich mich so gefreut, wieder in Oer-Erkenschwick zu sein. Der Stadt, in welcher mir auf dem
Weg in diese Kneipe nur 3 Menschen und 5 Autos entgegenkamen. Die Stadt, in der die Sparkasse steht, in der in 2 Jahre gearbeitet habe und die ich mit einem dicken Stinkefinger bedachte, weil es mir nun als Student viel besser geht. Und nicht zuletzt die Stadt, die die Heimat vieler Freunde und Kollegen ist...
Ich öffne die Tür des Wurstkessels und entdecke sie, die bekannten Gesichter. Man grüßt sich, drückt sich, trinkt etwas miteinander. Fast so wie jedes Jahr, nur das man sich über mehrere Monate hinweg nicht gesprochen hat. Fast alle werfen gelegentlich einen Blick auf meinen Blog, und von daher wissen sie viel mehr über mich als umgekehrt. Somit erkundige ich mich mehr nach ihren Neuigkeiten. Zwischendurch halte ich inne und lausche dem Gebrabbel der dutzenden Gäste in
diesem Laden. Ja, es wird Deutsch gesprochen. Sogar die Getränke-Tafel ist in dem Alphabet geschrieben, das ich als Kind in der Schule lernte. Für einen kleinen Moment fühle ich mich heimisch und nehme einen tiefen Schluck auf meinem Glas. Westernhagens Liedzeilen erklingen in meinem geistigen Ohr: „Ich bin wieder hier, in meinem Revier. War nie wirklich weg, hab' mich nur versteckt.“ Es wird viel getrunken, viel gescherzt und viel gelacht. Und ich entdecke eine Gewohnheit, die ich bis jetzt noch nicht abstellen konnte. Ich bedanke, entschuldige und bestelle entweder auf Griechisch oder auf Englisch. Vor allem im Getümmel der Stadt rutscht mir dann
häufig ein „Sighnomi“ heraus, das griechische Wort für „Entschuldigung“. Bevor sich diese Angewohnheit wieder gelegt hat, werde ich bestimmt wieder in Griechenland sein. Sei es drum, es gibt wichtigeres im Leben.
Die Stunden vergehen, und während die Temperatur in der Kneipe konstant ist, kühlt es sich draußen merklich ab. Plötzlich spürt man ihn doch, den Unterschied zwischen Mittel- und Südeuropa. Das letzte Mal war ich im März mit solch kalten Temperaturen konfrontiert. Und dementsprechend schlotterte ich, zumal ich auch keine richtige Winterjacke an hatte. Vorbei geht es an toten Straßen und leblosen Häusern. Nur eine Frau mit Stöckelschuhen kreuzt meinen Weg. Ihr Gang kündigt sich aus der Ferne an, und er verschwindet auch so schnell wie er kam. Ich laufe zügig, um der Eiseskälte zu entgehen. Und dennoch gehe ich an dem Schaufenster des Spiel-und Bastelgeschäfts von Frau Hartmann vorbei. Schon als Kind stand ich davor und schaute mir die Spielzeug-Autos und andere Sachen an. Die Preise stehen handgeschrieben auf kleinen
Pappschildern. Sie sind aufgerundet wie in einem Mathe-Buch für Grundschüler, damit diese einfacher rechnen können. Und so landen meine Gedanken schnell in meiner Kindheit. Wie in einem Film rauschen 22 Jahre Oer-Erkenschwick an meinen Augen vorbei. Aber warum ist das so?
Hat Athen, die Metropole und das Moloch, ein riesiges Loch in meine Seele geschlagen, welches ich nun wieder mit dem Leben und den Erinnerungen von Altbekanntem füllt? Ich kann es nicht mit Gewissheit sagen. Ich weiß nur, dass ich in diesen Tagen müde bin und wieder länger schlafe als gewohnt. Mir scheint, als wäre der Heimatbesuch ein Urlaub vom Auslandssemester. Meine Batterien sind nicht leer, aber ich spüre nun eindeutig, wieviel Energie mich das Leben in Athen kostet. Und nun wird regeneriert, auch wenn dies mit einem Tag im Bett verbunden ist. Aber ich will hier nicht vorweg greifen, und chronologisch weiter erzählen.
Am 1. Weihnachtsfeiertag war ich doch noch arg mitgenommen vom Abend zuvor und beschloss, einen langen Spaziergang durch die Haard zu machen. Viele Familien hatten die selbe Idee und gingen durch den Wald, der so schön nach Harz und Holz riecht. Ich ging auch zum Feuerwachtturm, von welchem man aus 36m Höhe einen exzellenten Blick über das gesamte Gebiet hat. Wieder daheim gab es leckeres Abendessen. Später ging ich dann rüber zu meiner Schwester, und wir unterhielten uns knapp 4 Stunden über Gott und die Welt. Das war sehr angenehm und genau das Richtige für einen Tag wie diesen.
Am 2. Weihnachtsfeiertag ging es zu meinen Verwandten nach Waltrop. Dort war es nicht minder schön, die ganzen Gesichter wiederzusehen. Es war auch das erste richtige Familientreffen nach dem Tode meiner Oma im Juli, und obwohl die Stimmung gelöst schien, merkte man unterschwellig doch eine Trauer, die dieses Weihnachtsfest überschattete. Meine beiden Cousins brachten knifflige Spiele mit, die sie von meinem Onkel geschenkt bekommen hatten. Jeder kennt doch diese Konzentrations- und Kombinationsspiele vom Weihachsmarkt, bei denen man z.B. ein kleines Stück Seil, das sich in einem Drahtgestell befindet, heraus bekommen muss. Dann wendet und dreht man alles hin- und her, um eine Lösung zu finden. Ich habe sie jedoch nicht gefunden und ließ mir von Lars und Marc gerne zeigen, wie genau ich was
zu stecken habe, um beide Teile voneinander zu lösen.
Tante Bärbel gab mir noch einen dicken Sack Vanillekipferl mit (der mittlerweile zu ¾ aufgebraucht ist) und ich fuhr meine Eltern und mich anschließend wieder zurück nach Erkenschwick. Auto fahren habe ich nicht verlernt, auch wenn das letzte Mal nun schon fast ein halbes Jahr zurück liegt.
Naja, und vorgestern brachten mich meine Eltern nach Dortmund. Als wir dann irgendwann über die Brücke des Zubringers zur A45 fuhren und ich das „U“ sah, fühlte ich mich recht wohl und genoss das Gefühl, auf dem Weg in meine jetzige Heimatstadt zu sein. Als wir in der Nähe von Seldas Haus ankamen, holte ich meinen Kram aus dem Kofferraum, bedankte mich bei meinen Eltern und machte mich dann auf den kurzen Weg zur Türklingel. Tja, und Selda hat sich was ausgedacht: Als ich die Haustür öffnete, gab es lautes Gegröhle aus tausenden Kehlen. Dann mischte sich die Stimme von Axl Rose dazwischen, und er sagte: „You know where you are. You're in the jungle, baby!“ Und dann legten Guns 'n Roses los, während meine beste Freundin und ich uns
in Arme fielen. Meine Güte, war das schön. Ihr schönes, buntes Wohnzimmer hat sie nun für mich zu meinem eigenen Schlafzimmer umgewandelt. Und so schlafe und lebe ich nun in diesem Raum, umgeben von bunten Tüchern, Tulpen und Kerzenständern. In diesen vier Wänden habe ich mich schon seit jeher wohl gefühlt. Umso schöner, dass ich nun hier wohnen kann...
Wir unterhielten uns lang und breit über Gott und die Welt. Über Athen, über Dortmund und über unsere Erfahrungen in den letzten drei Monaten. Irgendwann holten wir noch Wein von der Tanke und liefen Arm in Arm zurück zu ihrer Wohnung. Und obwohl es nun schon mein dritter Tag hier ist, habe ich noch nicht das Gefühl, dass alles gesagt worden ist. Von beiden Seiten. Aber wir haben noch einige Momente, die wir miteinander verbringen. Und nicht nur wir beide. Annegret habe ich bis dato noch nicht gesehen. Bei den Leuten vom Edwards werde ich auch noch vorbei schauen,
genauso wie bei einigen Mit-Studierenden von der Uni. Darauf freue ich mich, und diese Begegnungen werden mir mit Sicherheit die Kraft geben, die ich für den Endspurt in Athen benötige. Dort wartet nämlich ein Batzen Arbeit auf mich (allerdings nicht mehr die “To-Do-Liste“, denn die habe ich komplett erledigt). Die Monate Januar und Februar werden recht arbeitsintensiv und mich gnadenlos an den Schreibtisch binden. Und obwohl das neue Jahr in der nächsten Woche beginnt, möchte ich in diesen Stunden gar nicht daran denken. Zumindest nicht an die griechische Hauptstadt und all ihren Trubel. Ich bin jetzt in Dortmund und genieße diese Zeit. Jeder Augenblick
hier ist kostbar wahrlich Balsam für meine Seele.
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Das Video der Woche geht auf einen Zufallsfund bei „YouTube“ zurück. Tippt man dort „Oer-Erkenschwick“ ein, erscheint dort u.a. das Video von „A.D.A.M“, einem Homie dieser Stadt. Er hatte die famose Idee, Oer-Erkenschwick einen Hip-Hop-Song zu widmen. Dieser ist nicht unbedingt nach meinem Geschmack, bietet aber für Leute, die mit dieser Stadt nichts anfangen können, ein paar recht ansehnliche Bilder. Film ab für „A.D.A.M“ und seinen Erkenschwick-Rap.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Hola amigo,
hier meldet sich dein ex-Drummer.
Ich freue mich, daß es Dir gut geht!
Ich hätte mich gefreut, Dich in Deutschland wieder zu sehen. Leider hast Du dich bei mir nicht gemeldet, obwohl Du dich nach Athen verpisst hast.Deine Texte finde ich amüsant, allerdings total abgehoben. Ich hoffe, daß deine Texte nicht dein wahres Gesicht wieder spiegeln!
Ich würde mich freuen, Dich bei deinem nächsten Besuch in Deutschland wieder zu sehen.Rafael