Donnerstag, 21. Februar 2008

Hydra, Peloponnes und Herbert

Ein Mittwoch Abend in Athen. Vor wenigen Stunden bin ich von meinem Trip um die Halbinsel Peloponnes zurückgekehrt. Jetzt liege ich müde in meinem Bett und möchte Euch ein wenig an meinen Erinnerungen teilhaben lassen. Jedes Detail werde ich jedoch nicht erwähnen, da es den Rahmen sprengen würde. Die Stichworte die ich mir am Ende eines jeden Tages gemacht habe müssen und werden reichen.... Rolle rückwarts: Montag, 11.02.2008

Regen in Athen. Ich treffe Tereza in Piräus und wir kaufen ein Ticket für das Schnellboot nach Hydra. Es ist eine der letzten Fähren, da das Wetter auf offener See sehr ungemütlich ist und das Risiko für Mensch und Maschine zu groß wird.
Das Schiff verlässt den Hafen und beschleunigt, das Wasser spritzt gegen das Fensterglas. Mir scheint, als wäre der Himmel dem Meer so nahe wie noch nie zuvor. Meine Gedanken driften 2000 Jahre zurück, und ich sehe die alten Schiffe der Griechen. Ihre Segel sind gesetzt, und der Bug schnellt durch die Wellen. Eine Zeitreise, die sich im Laufe des Trips noch wiederholen wird.

Auf Hydra finden wir schnell eine Unterkunft. Wir handeln den Preis runter und freuen uns über ein geräumiges Zimmer mit zwei Betten. Auf der Insel selbst finden wir die Ruhe, die Athen vermissen lässt. Die kleinen LKW's der Insel lassen sich an zwei Händen abzählen. Hier tragen noch Esel und Pferde die Lasten. Tereza und ich durchstöbern den Hafen und trennen uns auf halbem Wege. Ich entdecke einen wunderschönen Küstenweg und sie verschlungene Gassen. In einer Taverne essen wir später einen Salat und gehen heim.

Dienstag, 12.02.2008:
Tereza liegt noch in den Federn, während ich gegen 7h spazieren gehe. Später marschieren wir beide los und lassen uns beide beinahe vom extrem starken Wind wegpusten. Wir gehen über Stock und Stein und passieren insgesamt drei Klöster. Ich genieße das rauhe Wetter und kann der Küste seit etlichen Jahren wieder etwas abgewinnen. Es scheint, als wühlen die Wellen nicht nur das Meer auf. Am Abend zeige ich Tereza meinen gestern entdeckten Weg an der Westseite der Insel. An einem Aussichtspunkt setzen wir uns auf eine Bank und beobachten den Sonnenuntergang. Plötzlich rupft sie an meinem Kopf und zaubert mein erstes graues Haar hervor. Ich fühle mich alles andere als alt und freue mich über diese Entdeckung. Den ganzen Abend (und den ganzen Trip) über sammeln sich verschiedenste Gedanken. Ich schlafe zufrieden ein.

Mittwoch, 13.02.2008:
Eine nicht eingeplante Verlängerung des Hydra-Aufenthaltes (Streik und schlechtes Wetter) beschert uns den schönsten Ausflug auf der Insel. Wir wandern die Küste entlang, steigen Berge hinauf und verlassen den Wanderweg. An der Südwest-Flanke eines Berges entdecken wir eine ganze Armada von verkohlten Olivenbäumen. Irgendwo dazwischen lotst ein Schäfer seine Tiere durch die Asche. Es ist mein erstes Eindruck von der großen Brandkatastrophe im letzten Jahr und ich schieße traurig-schöne Fotos. Auf dem Weg zurück zum Hafen begegnen wir weiteren Schäfern, die einem Griechenland-Katalog entsprungen sein könnten. Reife Männer mit rustikaler Kleidung und einem dicken Vollbart. Sie halten uns für Amerikaner und freuen sich über die paar Brocken Griechisch, die wir ihnen entgegenbringen.
Eine Stunde später kreuzen Pferde unseren Weg. Wir schmuggeln uns an ihnen vorbei und treffen wenig später auf einen Bauernhof. Die Hunde bellen, die Katzen surren und die Pferde schauen uns irritiert an. Um uns herum ist alles still, und nur das Meer rauscht in der Ferne. Es war ein wunderbarer Tag.

Donnerstag, 14.02.2008:
Wir packen die Tasche und gehen zum Hafen, wo gerade eine Warenlieferung stattfindet. Dutzende Esel werden mit verschiedensten Sachen beladen, so z.B. Specksteinen oder IKEA-Paketen. Das Schnellboot „Flying Cat I“ bringt uns in 25 Minuten nach Ermioni, und somit auf das Peloponnes. Dort pickt uns ein österreichisches Paar auf, das in einer Trauerangelegenheit nach Griechenland gekommen ist. Sie bringen uns nach Kranidi, wo uns später Ionnis in seinem LKW mit nimmt. Er erzählt von seiner Arbeit, schießt Fotos von uns (und mit sich) und schenkt uns beiden CD's, bevor er uns an einer Gabelung rauslässt. Ein freundlicher Zeitgenosse. Später nimmt uns eine Kindergärtnerin mit nach Epidauros. Sie hat den Kindern kurz zuvor frei gegeben, weil es ein Erdbeben (6,5 auf der Richterskala) gab. Wir bedanken uns für den „Lift“ und die leckeren Orangen, die sie uns mit gibt.
In Epidauros besuchen wir das unfassbar tolle Theater. Die Akustik ist so ausgefeilt, dass man selbst in den obersten Rängen eine Münze hören kann, welche weit unten in einen kleinen Steinkreis fallen gelassen wird. Ich bin schwer beeindruckt. Später nehmen wir einen Bus nach Nafplio und checken im „Hotel Economou“ ein, welches seinem Namen mehr als gerecht wird. Der Rundgang am Hafen beschert uns einen schönen Sonnenuntergang und mir sehr schöne Fotos. Nicht zuletzt von dem Hund, der uns die ganze Zeit begleitet. Ein ereignisreicher Tag endet.

Freitag, 15.02.2008:
Die dünnen Decken im Economou (der Besitzer heißt „Georges Economou“) lassen uns frieren. Wir brechen früh auf und erklimmen mit unseren großen Rücksäcken die Festung. Dabei müssen wir insgesamt 999 Stufen zurücklegen. Oben werden wir jedoch mit einem famosen Ausblick und einem Einblick in die geschickte venezianische Baukunst belohnt. Die Festung besteht aus insgesamt 8 Forts. Sollte ein Fort eingenommen werden, kann man die anderen noch locker verteidigen und ggf. wieder zurückerobern. Gegen 13h verlassen wir diesen schönen Ort. In Nafplio selbst erfahren wir, dass es im Winter keine Fähren nach Kreta gibt. Nun planen wir, das Peloponnes zu umrunden und brechen in Richtung „Tyrins“ auf. Die Sonne scheint. T-Shirt Wetter. Wir wandern eine Straße entlang, an deren Seiten Orangen- Oliven- und Zitronenbäume in Hülle und Fülle wachsen. Tereza und ich fühlen uns wie im Paradies und pflücken eine Orange nach der anderen. Später nimmt uns ein Albanier in seinem Pick-Up nach Argos mit. Ich schmöker ich meinem Sagenbuch und entdecke die Geschichten von Jason und Danae. Erneut fühle ich mich tausende Jahre zurückversetzt.

Samstag, 16.02.2008:
Wir besuchen die Überreste des alten Schlosses auf dem Berg Larissa und bahnen uns auf dem Rückweg einen Pfad durch Matsch und eine Schafherde. Unser Tramp-Versuch nach Tripoli bleibt erfolglos. Das Wetter ist nicht wieder zu erkennen, und so frieren wir uns beinahe die Daumen ab.
In einer Pita-Bude wärmen wir uns auf. Ein Grieche fragt mich nach meinen Tips für den aktuellen Bundesliga-Spieltag und geht danach vergnügt ins Wettbüro. Nach dem Essen gehen wir in ein Cafe und lernen ein wenig. Sie für ihre letzte Hausarbeit, ich für meine letzte Klausur.
Der Bus nach Tripoli kommt verspätet und muss sich später gegen den Schneefall wehren. In Tripolit rutsche ich weg und lege mich mit dem Rucksack lang. Wir finden trotz des schlechten Wetters noch einen Bus, der uns nach Sparta fährt. Dieser hat allerdings 45 Minuten Verspätung. Die Busstation bietet aber genug Ablenkungsmöglichkeiten. Entweder der Fernsehapparat (Fußball) oder die vergnügten Alten, denen das Spiel selbst gar nicht so wichtig ist. Sie befassen sich lieber mit sich selbst als mit dem Leder. Beinahe undenkbar in Deutschland.
In Sparta checken wir im „Sparta Inn“ ein. Der Weg zur Taverne bietet mir neue Bilder: Schnee auf Palmen und frierende Griechen in langen Mänteln. Plötzlich ist es Winter.

Sonntag, 17.02.2008:
Um 4:15h wache ich kurz auf, weil der Wind ganz laut durch Spartas Gassen wütet. Um halb 8 gehen Tereza und ich in den Frühstücksraum des „Sparta Inn“ und bedienen uns am Büffet, das wir mitbezahlt haben. Um 9h fährt ein Bus nach Mystas, einer alten Stadt an den Hängen des Taygetos. Wir bewundern die Reste eines Schlosses aus dem 13. Jahrhundert und die Fresken der 4 Kirchen auf dem Gelände. Durch die schmalen Gassen wandert ein unsteter Geist, der vom vergangenen Ruhm dieser Stadt erzählt. Wir sind bezaubert und betreten eine schneebedeckte Ruine nach der anderen. Vier Stunden später kehren wir nach Sparta zurück, wo uns mitgeteilt wird, dass aufgrund der Kälte kein Bus mehr fährt. Das Display zeigt 3°C an. Später kommt jedoch ein freundlich Mann auf uns zu und teilt uns mit, dass aufgrund des besseren Wetters nun doch ein Bus nach Githio fährt. Das Display zeigt 4°C an. Auf dem Weg in die Hafenstadt schlafen wir beide ein. Als wir die Augen wieder öffnen, sehen wir den Hafen und das tiefblaue Meer. Wir finden ein günstiges Zimmer und suchen eine Taverne auf. Später geht Tereza zum antiken Theater, während ich am Hafen Fotos von den zum trocknen aufgehangenen Kalamaris und den bunten Fischerbooten mache. Dabei friere ich mir den Arsch ab. Später schalten wir den Fernseher ein und zappen durch die Programme. Überall finden wir Berichte vom verschneiten Athen. Die Schulen und Unis sind geschlossen, und der Verkehr hat seine liebe Mühe mit dem ungewohnten Wetter. Es ist das Thema des Tages in Griechenland. Und auch in Deutschland blieb der Wintereinbruch in Hellas nicht unberücksichtigt.
Ich schlafe mit dem Schwappen der Wellen ein, die gegen die Boote und den Kai preschen. Keine 15 Meter von mir entfernt.

Montag, 18.02.2008:
Ich wache auf, genieße den Blick aus dem Fenster und das sonnige Wetter. Der Himmel ist blau und die Boote liegen nun ruhig im Hafenbecken. Wir nehmen den Bus Richtung Areopolis und besuchen die Tropfsteinhöhle von Diros. Selten hat mich der Besuch eines Naturbauwerks so gefesselt wie dieser.
In einem Boot werden wir ca. 25 Minuten durch ein Labyrinth aus Stalagtiten gelotst. Man hört nur das Eintauchen des Ruders in Wasser und die Tropfen, die sich vom der Decke lösen. Mein Unterkiefer hängt lange lose. Ein Zeugnis meiner Faszination für diesen wunderschönen Ort.
Der Bus bringt uns später nach Areopolis. Dort betreten wir einen weiteren Bus, der uns in ein verschlafenes Nest namens Itilo bringt. Wir warten insgesamt 1 ½ Stunden auf den Anschluss nach Kalamata und ich schieße Fotos von Gänseblümchen, Palmen und Bergen. In einem Hinterhof steht ein alter Peugeot 304, und unzählige Katzen tummeln sich im satten Gras. Der Himmel ist blau und kein Ton stört die Idylle. Höchstens die Stöckelschuhe der Frau, die mit uns auf den Bus wartet.
In Kalamata verpassen wir den Zug um sagenhafte 5 Minuten. Wir essen eine Kleinigkeit und gehen in ein Internet-Cafe, wo ich mich über Tropfsteinhöhlen und die Lage im Kosovo informiere. Der Zug nach Pyrgos kommt um 22:12h. Wir schlafen beide ein und wachen rechtzeitig (0:45h) wieder auf. Pyrgos schläft, und wir müssen uns in ein echtes Hotel einquartieren. Der Preis wird von 94€ auf 55€ gesenkt. Ich lese die Sage von Dädalos und seinem Sohn Ikaros zum Einschlafen.

Dienstag, 19.02.2008:
Um 10:45h erreichen wir unser nächstes Ziel, nämlich das antike „Olympia“. Es fällt mir nicht leicht, diesen wundersamen Ort mit wenigen Zeilen zu beschreiben. Für mich ist es ein fesselnder Gedanke, dass sich hier vor über 2800 Jahren die besten Sportler Griechenlands trafen, um sich in den verschiedensten Disziplinen zu messen. Außerdem bewundere ich die Kunstfertigkeit der alten Griechen, die dem Marmor fabelhafte Menschen- und Götterbilder entlockten. Darüber hinaus die sagenhaften Tempel des Zeus und der Hera, deren Säulen so unfassbar groß waren und die Frage aufwerfen, wie man diese mit einfachsten Mitteln aufstellen konnte. Um Olympia selbst ranken sich sehr viele Sagen. Einer sagt, Zeus habe seinen Vater Chronos hier besiegt und die Herrschaft an sich gerissen. Ein anderer sagt, Pelops (nach dem das Peloponnes benannt ist) habe hier Oinomakos besiegt und ein riesiges Königreich aufgebaut. Geblieben sind unzählige Ruinen und und der Geist eines Ortes, der den Griechen seit Jahrtausenden heilig ist. Jeder, der die Möglichkeit hat Olympia mit eigenen Augen zu sehen, sollte sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen.

Aus Zeitmangel verlassen wir Olympia und brechen Richtung Patras auf. Dort finden wir eine lebhafte Stadt im Karnevalsfieber vor. Die Menschen huschen durch die Straßen und begeben sich zum Marktplatz, wo ein bekannter Sänger seine Stücke zum Besten gibt. Tereza und ich finden eine sehr schöne Bar, in welcher es auch tschechisches Bier gibt. Wir beide bestellen uns ein großes Glas „Pilsner Urquell“ und lassen den Trip Revue passieren. Später geht trennen wir uns. Sie geht zurück ins Hotel, während ich mir das Match zwischen Olympiakos und Chelsea ansehe. Danach gehe ich zum Hafen und schaue ein paar Minuten den Wellen beim auf- und ab zu. Um halb 1 gehen auch bei mir die Lichter aus.

Mittwoch, 20.02.2008:
Tereza und ich schlafen aus und verlassen das Hotel um 11h. Wir möchten uns die bekannte Rio-Andirrio Brücke ansehen und lassen uns den Weg von einer Kioskverkäuferin erklären. Eine halbe Stunde später stehen wir vor dem über zwei Kilometer langen Bauwerk, welche das Peloponnes mit dem Festland verbindet. Vier Pylone ragen über 160 Meter aus dem Meer, welches an dieser Stelle über 65 Meter tief ist. Wow.
Wir halten uns dort jedoch nicht lange auf, weil wir um 13:15h einen Bus nach Kalavritta bekommen möchten. Doch der Linienbus verfranst sich im dichten Verkehr, so dass wir wieder zu spät kommen. Daraufhin beschließen Tereza und ich, dass wir uns auf den Heimweg machen. Wir kaufen Bahntickets und kaufen einen Kaffee. Ich gönne mir die aktuelle Ausgabe der „Süddeutschen“ und genieße das Gefühl, unter sonnigem Himmel das Neueste aus Deutschland und der Welt zu erfahren. Der Zug kommt um 14:35h, und gegen 18:00h erreichen wir Athen. So war es.

...

Und nun ist es schon Donnerstag. Meine Güte, wie die Zeit vergeht. Mittlerweile kann ich meine Tage hier in Athen schon an zwei Händen abzählen. Doch ich bin nicht wehmütig wenn ich an den Abschied in der nächsten Woche denke. Ich habe hier einiges erlebt und bin auch dankbar für diese Erfahrung. In Deutschland erwarten mich jedoch neue Aufgaben und neue Ziele die ich mir gesteckt habe. Und ich kann es, um ehrlich zu sein, auch kaum erwarten endlich los zu legen. Ich habe genug vom Reisen. Die Fremde ermüdet mich und ich möchte nichts sehnlicher als zu Hause ankommen. Meine Wurzeln brauchen Heimaterde um weiter zu wachsen...

Von daher ist auch mein Video der Woche etwas melancholischer und nachdenklicher. Dieses Lied begleitet mich schon seit Jahren, verschwindet manchmal und taucht dann urplötzlich wieder auf. Doch noch nie habe ich mich mit ihm so verbunden gefühlt wie in diesen Tagen. Den Text lege ich mir in den Mund, und ich besinge meine Familie, meine Freunde und meine Stadt. Auf bald!

Benjamin

Freitag, 8. Februar 2008

Meteora, Playboys und Mimosen


Freitag Morgen in Athen. Draußen pfeift ein kalter Wind, der alle paar Sekunden mit voller Wucht gegen meine Balkontür donnert. Der Himmel ist grau-blau und aus den Lautsprechern erklingt die CD des Mönche-Chors von Meteora. Mein Souvenir von diesem wunderschönen Ort...

Tereza und ich bestiegen letztes Wochenende den Zug nach 'Kalambaka', das etwa 350KM nord-westlich von Athen liegt. Nach knapp 5 ½ Stunden Fahrt waren von den in Attika eingestiegenen Personen nur noch wir zwei und die Japaner-Gruppe übrig, die sich die lange Fahrzeit mit Gesellschaftsspielen vertrieb. Als wir dann endlich ankamen, zogen alle sofort ihre dicken Digital-Spiegelreflexkameras aus ihren Taschen. Und sie hatten auch allen Grund dazu, denn vor uns türmten sich anthrazit-graue Felsen auf, die einem einen ganz anderen Eindruck von Griechenland vermitteln. Abseits von all den Tempeln der Antike und den vielen Inseln liegt hier in ein echter Schatz, der zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt. Aber alles der Reihe nach.

Tereza und ich wanderten zunächst ziellos durch die Landschaft und ließen uns von den teilweise bizarren Felsgebilden berieseln. Mal sahen wir Totenköpfe, mal den Zahn eines Riesen und mehrmals originalgetreue Nachbildungen einer Vagina. Wie beim Grand Canyon wusch auch hier das Wasser die Steine glatt und gab ihnen ihre unverwechselbare Form und Gestalt. Für mich war es ein echt fesselnder Gedanke, auf dem ursprünglichen Meeresboden zu laufen und die Spuren
zu entdecken, die im Laufe von Millionen Jahren hier entstanden: Cliffs, Muschelbänke, kleine Inseln. Und immer wieder die ovalen Auswaschungen, die dem Felsen vermeintlich das Augenlicht schenken. Wenn man sich die Zeitspanne vorstellt die es brauchte, um dies alles zu machen, dann kommt einem das eigene Leben so kurz vor wie ein Wimpernschlag. Man merkt, wie klein man selbst und alles andere um einen herum ist, und das ist einer der Gründe warum ich Berge (und auch diese Felsen hier) so toll finde.



Nach unserem ersten Rundgang liefen wir in den Nachbarort 'Kastraki', welcher näher an den Klöstern liegt. Wir fanden schnell ein günstiges Zimmer (12,50€ pro Kopf/Nacht), ließen unsere Sachen dort und wanderten bergauf. Über Stock und über Stein, kreuz und quer. Irgendwann entdeckten wir eine Höhle, in welche wir dann teilweise auf allen Vieren hineinkrabbelten. Aber es lohnte sich die großen Felskanten entlang zu klettern, um irgendwann mitten im Bauch dieses Naturbauwerks zum Stehen zu kommen und sich darüber klar zu werden, dass man an diesem Ort ausschließlich von Stein umgeben ist. Man kommt sich fast vor wie ein Embryo im Mutterleib. Zumindest ich hatte das Gefühl. Tereza schüttelte den Kopf.

Auf dem Rückweg kauften wir ein paar Lebensmittel für den kommenden Tag und legten uns früh in die Betten, nicht aber ohne den Fernseher einzuschalten (das erste Mal überhaupt in Griechenland), der an der Wand montiert war. In den Nachrichten wurde über erneute Ausschreitungen der Anarchisten in Athen berichtet. Dabei splittet der Sender den Bildschirm in 4-6 Kästen und setzt in jeden einen Experten zu einem bestimmten Thema, während in der oberen Bildhälfte ein Zusammenschnitt der Ereignisse zu sehen ist. Die Griechen haben wohl kein Problem mit dieser Art Kommunikation, denn es passiert nicht selten, dass der eine den anderen nicht ausreden lässt und ein dritter seinen Gesprächsbeitrag nach langem Warten auch endlich loswerden möchte. Und so streiten sie sich. Zapp! Ein Bericht über die Nachfolge an der Spitze der griechischen Kirche. Zapp! Eine amerikanische Dauerwerbesendung. Zapp! Sport. Zapp! Kalinixta.

Am nächsten Morgen verlassen wir gegen 8.30h das Apartment und machen uns auf den Weg nach Meteora. Die Straße schlängelt sich kilometerlang an den Felsen entlang, die auf uns hinab blicken als warteten sie auf die nächste Generation Dinosaurier.
Nach 1 ½ Stunden erreichen wir das größte Kloster 'Megalo Meteoro', was soviel bedeutet 'Großer, in der Luft schwebender'. Es ist auch das größte Kloster und höchstgelegene bewohnte Kloster in Meteora. Kaum zu glauben, dass es die Menschen geschafft haben, vor über 650 Jahren ein Kloster auf diesem Fleck Erde zu setzen. In 613m Höhe! Unglaublich. Aber die Ägypter haben ja auch schon ähnliches bewerkstelligt. Vor dem Betreten des Klosters weist ein Schild auf die Heiligkeit dieses Ortes hin und bittet um Ehrfurcht vor diesem Felsen. Frauen werden dazu angehalten, sich einen Rock um zu binden (Hosen sind nicht erlaubt).

Da sind wir nun und entdecken das Kloster. Unser Weg führt uns zur alten Kelterei und dem Beinhaus, in welchem die Totenköpfe der ehemaligen Klosterleitung aufgebahrt werden. Man kann diesen Raum nicht betreten, sondern nur ein Fenster in der Tür hinein blicken. Dort sieht ein Regal mit Schädeln und hunderte menschlicher Knochen auf dem Fußboden. Generationen von alten Männern in Kutten starren mich an. Angeblich sollen einige Schädel heilig sein und einen angenehmen Geruch verströmen .Ich wollte mich nicht davon überzeugen.

Im Museum findet man Zeugnisse alter Tage. Zum Beispiel hochoffizielle kirchliche Beschlüsse mit Brief und Siegel, viele hunderte Jahre alt. Oder aber auch Krüge und Kreuze aus Holz (handwerklich sehr raffiniert und präzise), oder aber auch Uniformen aus dem zweiten Weltkrieg. Um diese zu präsentieren, kaufte man sich drei Schaufensterpuppen und stülpte ihnen die Kleidung über. Jede von ihnen bekam einen künstlichen Schnurrbart verpasst. Leider aber auch eine eindeutig weibliche Schaufensterpuppe, die nun bis ans Ende ihrer Tage ein Dasein als griechischer General fristen muss.

In einem anderen Museumsbereich finden sich Bilder von verehrten Heiligen, die unter der Herrschaft des osmanischen Reiches verfolgt wurden und den Feuertod starben. Ihr Leidensweg ist auf großflächigen Bildern verewigt. Besonders gewundert hat mich die Geschichte eines Mönchs, den die Türken einmauern mussten, nachdem sie ihn weder erhängen noch verbrennen konnten.
Von den lebenden Mönchen im Kloster haben wir gar nicht mitbekommen. Selbst die Bediensteten an den Verkaufsschaltern der Souvenir-Läden schienen von außerhalb zu kommen. Das fand ich sehr schade. Beeindruckend hingegen fand ich die Kapelle, welche thematisch und architektonisch in zwei Teile strukturiert war. Im ersten Teil finden sich ausschließlich Abbildungen, die die Verfolgung der Gläubigen durch Ungläubige darstellen. Wilde Szenarien mit viel Blut, abgeschlagenen Köpfen, Monstern und Menschen, denen die Haut bei lebendigem Leibe abgezogen wird. Im Raum nebenan das genaue Gegenteil: Himmlischer Friede. Die Heiligen reichen sich die Hände, lesen sich aus ihren Werken vor und beten gemeinsam. Keine Spur mehr von der wilden Barbarei im Zimmer nebenan. Mir fallen auch die vielen Oktaeder auf (beim Kronleuchter, beim Stehtisch, bei den Stühlen, den Fresken am Boden und an der Decke), die in der Zahl 8 die Ewigkeit darstellen (dreht man das Symbol „8“ um 90°, so erhält man das mathematische Zeichen für die Unendlichkeit). Somit steht wohl dieser Raum für die Ewigkeit des Himmels, und der andere für das Diesseits und die Qualen auf der Erde. Das wäre zumindest ein Interpretation. Ach Herrn Dziersk, manchmal würde ich Sie gerne herbei-beamen und mir ihre Meinung anhören.
Wir verlassen dieses Kloster und wandern zum nächsten, welches von außen meiner Meinung nach noch imposanter ist als das 'Megalo Meteoro'. Es ist das Kloster 'Verlaam', das auf einem wirklich einsamen Felsen gebaut wurde und den Anschein erweckt, als hätte es das Meer vor all den Jahren mit aus dem Stein geschürft. Es ist wirklich „eins“ mit dem Felsen. So etwas muss man gesehen haben.

Das Innenleben ist jedoch nicht so umfangreich wie das im vorherigen Kloster, und in Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit beschließen Tereza und ich den Heimweg anzutreten. Am Abend setzen wir uns in eine Taverne, essen Salat und trinken Bier, während neben uns die Lokalmatadore ihre Rosenkränze schwingen und sich Oliven in die Backen stopfen. Wir sind müde, gehen heim, schauen Harry Potter und schlafen ein. Am nächsten Morgen bummelt uns der Zug nach Athen. In Griechenland gibt es wohl noch das „Ein-Gleis-System“, und somit muss unser Zug einige Male anhalten, um den tollen IC-Zug vorbei zu lassen.

Egal, wir sind wir zurück, und ich freue mich auf meine neue Mitbewohnerin, die Anfang nächsten Monats mein Zimmer übernehmen wird. Sie heißt Marlen, kommt aus Berlin und studiert auch Germanistik. Interessanterweise kocht sie auch vegetarisch. Und obwohl ich jetzt schon fast eine Woche wieder zurück bin aus Meteora, habe ich bisher noch keine Gelegenheit gehabt sie näher kennen zu lernen. Den Rest der Woche verbrachte ich nämlich vor meinen Unterlagen und mit dem Anfertigen meiner zweiten Hausarbeit, die seit gestern Nacht endlich im Kasten ist. Vielleicht komme ich am Wochenende dazu, mich mal mit meiner Nachfolgerin zu unterhalten.

Jetzt vollziehe ich einen Themenwechsel, der sich gewaschen hat: Louis und ich haben „unsere“ Toilette gehörig aufgemotzt. Das kleine, graue und miefige Stück Raum neben dem großen und strahlenden Badezimmer wurde zu einem reinen „Männer-Klo“ umgewandelt. Wie das? Ich habe die russische Fassung des Playboys gekauft, wohingegen Louis sich ein Prollo-Automagazin mit getuneten Mittelklasse-Wagen geholt hat. Das beste der beiden Hefte haben wir ausgeschnitten und in unser Klo geklebt. Wenn man sich jetzt auf die Toilette setzt, schaut einem das Pin-Up Girl des Monats kess in die Augen. Wendet man sich nach links, sieht man den neuen Ferrari, schaut man nach rechts, den neuen Mercedes. Jetzt fehlen nur noch Sport-Poster, z.B. ein Mannschaftsbild von Manchester United. Das wäre toll.
Die Mädels in unserer WG finden die Idee gut und haben bereits angekündigt, „ihre“ Toilette auch verschönern zu wollen. Hoffentlich machen sie das auch, denn Sissi hat Louis und mich schon aufgefordert, die Bilder zu entfernen. Ihrer Meinung nach ist diese Toilette ein Raum für alle.
Da sich aber keiner darüber beschwert und sie selbst nicht bei uns kacken geht, kann sie Louis und mich einfach mal am Arsch lecken. Wenn sie die Bilder unbedingt weg haben möchte, dann soll sie sich selber bemühen. Aber bitte vorsichtig, denn die Magazine waren teuer und wir würden die Bilder „gerne“ bei uns im Zimmer aufhängen. Dies hat sie uns ausdrücklich erlaubt. Thank you, Sissi. Es war uns schon klar, dass sie auf unsere Macho-Attacke schlecht zu sprechen sein wird, aber das sie wirklich so kleinkariert ist hat keiner von uns gedacht. Wie dem auch sei: Die Bilder bleiben dort wo sie sind. Basta!

Nächste Woche beginnt der große Trip mit Tereza. Dafür werde ich mir noch einige Infos besorgen und so langsam aber sicher die Tasche packen. Ich freue mich auf die letzten Tage mit ihr und die Tatsache, noch etwas mehr von Griechenland zu sehen. Schon auf dem Weg nach Meteora zeigten sich Landstriche, die so sehr anders waren als Athen: Weite Felder, satte grüne Wiesen mit Kühen und Ziegen, Berge mit Schnee. Nach der letzten Woche vor meinem Laptop bin ich wirklich froh, mal wieder heraus zu kommen aus der Stadt. Sie raubt mir schon wieder Kraft und nährt meine Vorfreude auf die Rückkehr in knapp 3 Wochen. Ich ertappe mich, wie ich durch die Straßen laufe und mich frage, ob ich nicht irgendetwas übersehen habe, was mich später in Deutschland ärgern wird. Die Antwort werde ich sicherlich erst dort bekommen, und daher werde ich mich am Wochenende wohl nochmal in die große Stadt begeben und Orte besuchen, die mir empfohlen wurden und die ich bisher noch nicht besucht habe. Gazy und Keramikos zum Beispiel.

Das Gro meiner Uni-Leistungen ist absolviert. Nach dem Trip folgen noch zwei Prüfungen, bevor ich hoffentlich problemlos alle meine Scheine und mein „Transcript of Records“ bekomme. Noch habe ich da meine Zweifel, aber ich möchte auch nicht den Teufel an die Wand malen.

Es ist jetzt 14.50h. Vielleicht dusche ich schnell und drehe eine Runde durch die Stadt, mit der Kamera im Anschlag. Vielleicht bleibe ich aber auch im Bett, denn seit gestern plagt mich eine Erkältung, die ich bis Anfang nächster Woche auskuriert haben möchte. Vielleicht mache ich auch etwas ganz anderes, keine Ahnung.

Liebe Grüße und bis bald.
Benjamin

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Das Video der Woche ist erneut ein Werbespot. Er wurde vor einigen Tagen während des „Superbowls“ in den USA ausgestrahlt und hat für einigen Wirbel gesorgt. Der eine oder andere von Euch kennt vielleicht die Band „Eels“. Der Kopf dieser Truppe stellt in diesem Spot das neue Album „Useless trinkets“ vor, was soviel wie „nutzloser Tand / nutzlose Wertlosigkeit“ bedeutet. Bereits im Vorfeld (und auch im Nachhinein) wurde über die Länge des Clips diskutiert. Als dieser dann ausgestrahlt wurde (eine Sekunde Werbezeit während des Superbowls kostet nicht weniger als 100.000$), begann ein großes Rätselraten über den Zweck und Urheber des Ganzen. Die Leute fingen an zu recherchieren und kamen letztendlich auf die „Eels“, welche dadurch ihr neues Album sehr medienwirksam präsentieren konnten. Clever.

Freitag, 1. Februar 2008

Twingo Seven




Beim meinem letzten Eintrag habe ich vergessen, von Kaljas Party zu berichten. Die war nämlich gut. Aber fast noch besser war unsere Tour durch Athen im Anschluss daran. Sieben Personen in einem Twingo mit Rollverdeck. Ein Heidenspaß.
Die Beteiligten (von links nach rechts): Anne, Ángel, Kalja, moi, Tereza.