Freitag, 21. Dezember 2007

11251 Aθήνα - Vorweihnachtlicher Fokus

Kaffee um halb zwei in der Nacht.
Wie konnte ich mein ganzes Leben lang ohne dieses Getränk auskommen? Im Laufe der letzten Wochen habe ich immer weniger Milch hinzu gegeben, so dass ich ihn mittlerweile schwarz trinke. Mit Zucker. Die Wirkung der Bohne ist bekannt, und deswegen schätze ich sie auch. Ich schlürfe den Kaffee mit Genuss. In diesen Tagen ist es aber auch ein Zweckgetränk, da ich eine dicke „To-Do-Liste“ habe, die ich noch vor Montag in den Müll schmeißen möchte. Abgehakt, versteht sich...

Heute habe ich viel Kleinkram erledigt. Mein Prepaid-Konto für's Handy ist aufgeladen. Im Badezimmer steht ein neues Shampoo und die Geschenke für Familie und Freunde sind eingepackt. Die größte Arbeit steht mir noch bevor. Ich habe zwei Bücher, die ich bis Sonntag Abend gelesen und zusammen gefasst haben möchte. Eines habe ich vor zwei Stunden beendet, dass andere habe ich zu ¾n durch. Eigentlich wollte ich das Wichtigste des vorhin durchgelesenen Werkes (Sprachwandel – Sprachvarietäten) heute schon zu Papier bringen, aber mir ist gerade viel mehr nach Tippen. Mein Zettel für den neuen Blog-Eintrag platzt aus allen Nähten, und das, obwohl hier eigentlich nicht viel passiert ist.

Das Gro der Erasmus-Blase befindet sich bereits in den jeweiligen Heimatländern. Und diejenigen die noch hier sind, freuen sich größtenteils auf ihre baldige Heimkehr und die Zeit bei ihren Familien. Manche bleiben aber auch hier. Tereza zum Beispiel, die morgen Nachmittag ihren Freund vom Flughafen abholt und ihn erbarmungslos durch die Stadt zerren wird. Das hat sie zumindest vor.
In meiner WG bin ich aber (mit Jirka) der Einzige, der nach Hause fliegen wird. Despina hat nach der Beerdigung ihres Vaters erstmal genug von Schweden, und Lucia müsste in den Senegal fliegen um ihre Mutter zu besuchen. Sie fährt nach Weihnachten mit ihrem Freund in die Türkei. Ondrej plant auch irgendeinen Trip, während Louis sich hier in Athen wohl weiterhin von seiner Kalliope verwöhnen lassen wird. Es wird hier also auch ohne mich Leben in der Bude sein.

Gestern war Sissi (unsere Vermieterin) kurz hier und hat sich verabschiedet. Sie fliegt Ende des Monats zu ihrem Mann in die USA und wird wohl erst im Juni wieder kommen. Sollten einer von uns irgendwann mal in der Nähe von New York oder Washington D.C. sein, sollen wir einen Abstecher zu ihr machen.

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Was gibt es also zu berichten?
Obwohl es nicht spektakulär war, möchte ich Euch vom Champions-League Spiel der letzten Woche erzählen. Olympiakos Piräus empfing Werder Bremen, und so trafen sich zwei Hand voll Männer am Victoria Square. Wir tranken stilecht Bier aus einem Fässchen und warteten noch auf Angel, den Spanier aus Kaljas Wohnung. Als er dann eintraf und sich umsah, riefen alle seinen Namen. Er drehte sich jedoch nicht zu uns um, sondern blickte auf sein Handy (vermutlich um einen von uns anzurufen). Erst als ich dann „Ey Picha!“ rief, schaute er in unsere Richtung und ging los. Nun muss ich dazu sagen, das „Picha“ soviel wie „Schwanz“ bedeutet. Das finden die Spanier aber gar nicht schlimm. Ganz im Gegenteil: Gute Kumpel nennen sich eben so, ganz egal ob in Andalusien oder, wie im Falle von Angel, in Valencia.
Wir fuhren also nach Piräus und trafen auf ein Meer aus den Farben Rot und Weiß. Um das Stadion herum schrien die Souvlaki-Händler um die Wette, während im Stadion schon die ersten bengalischen Feuer gezündet wurden. Wir versuchten noch irgendwie an Karten zu kommen, aber an der Abendkasse war nichts mehr zu holen. Mir wurde ein Ticket für 100 Euro angeboten. Als ich dem Mann sagte, dass ich nur 20 dabei habe, hatte er nur ein müdes Lächeln für mich übrig. Egal, mir ging es auch vielmehr um die Atmosphäre als um das Spiel. Markus sah das anders. Als gebürtiger Bremer und Werder-Fan wollte er unbedingt an den Ort des Geschehens, aber alle Versuche schlugen fehl. Einige trennten sich dann von der Gruppe und gingen nach Hause. Wir (Iwo, Markus, Angel, Johannes und ich) begaben uns nun auf die Suche nach einer Bar, fanden aber nirgendwo eine. Es ging weiter Richtung Hafen, und nach ca. 15 Minuten kamen wir an ein Pförtnerhäuschen mit Schlagbaum. Dort fragten wir dann zwei Männer nach einem Lokal. Mit schlechtem Griechisch und gekonntem Easy-English. Nach einer Weile begriffen sie, was wir von ihnen wollten. Sie fragten uns, ob wir irgendwelche Schals oder Trikots von Werder Bremen an uns trügen, weil das dort verkehrende Publikum im Falle einer Niederlage durchaus handgreiflich werden kann. Das war uns doch zu heikel, und so gingen wir einfach weiter, bis wir auf ein griechisches Paar stießen, das uns in eine schicke Bar mitnahm. Wir setzten uns hin, und jeder bekam vorab ein dickes Glas Wasser. Später folgten sogar Schälchen mit Nüssen und Chips, die ratzfatz alle waren.
Da saßen wir nun auf einem Sofa, ganz hinten und im wahrsten Sinne mit dem Rücken zur Wand. Obwohl dieses Café/Bar edel war, haben sich in den hinteren Winkel, in welchem die Fernsehapparate montiert waren, doch ein paar Dutzend heißblütige Olympiakos-Fans versammelt. Die applaudierten auch fleißig, als ihre Mannschaft dann das Spielfeld betrat. Später jubelten sie dann, als das 1:0 für ihre Mannschaft fiel. Wenn einer aus ihrem Team gefoult wurde, riefen viele von ihnen, fast wie abgesprochen, das allgegenwärtige „Malaka“. Das ist hier ein Standard-Schimpfwort und bedeutet ungefähr soviel wie „Arschloch“. Nun, bei den „Malaka“- und Jubelrufen blieben sie aber nicht sitzen, sondern sprangen auf und machten weite Bewegungen mit ihren Armen oder fielen in dieselben ihres Sitznachbarn.
Nein, wir haben uns nicht bedroht oder gefährdet gefühlt. De facto waren wir aber in der Minderheit, und selten habe ich das so intensiv gespürt wie an diesem Abend in Piräus. Da hockte es nun, das kleine Grüppchen aus 5 Jungs, welches dem deutschem Team die Daumen drückte. Sowohl die Treffsicherheit der Olympiakos-Spieler, als auch die elektrische Ladung der mitfiebernden Fans, die nur einige hundert Meter von ihrem Tempel in Ekstase gerieten, rückten uns immer näher an die Wand. Bei jeder verspielten Torchance für Bremen zuckten wir kurz zusammen oder bissen uns auf die Lippen. Leise war es bei uns auf dem Sofa. Zumindest gab es keine Ausrufe wie „Ah“, „Oh“ oder sogar „Hoijoijoi“. Nachdem es irgendwann 3.0 für die Griechen stand, hätten sie uns dies vielleicht auch nicht übel genommen. Ach, was sage ich: Sie hätte es uns bestimmt auch so nicht übel genommen. Aber man weiß ja nie...
Wie dem auch sei: Markus war bedient und wollte nur noch weg. Wir liefen zurück zur Metro-Station. Ich wollte aber noch ein wenig dableiben und die gute Laune der Fans aufsaugen. Angel leistete mir Gesellschaft und wir warfen, nachdem das Spiel beendet war und die Tore geöffnet wurden, einen Blick ins Stadion Karaiskakis. Eine schöne, kleine Fußball-Arena für ungefähr 33.300 Zuschauer. Auf dem Rückweg holte ich mir dann eine vegetarische Souvlaki, woraufhin mein spanischer Kumpel und ich uns über Vegetarismus und Spiritualität unterhielten. Irgendwann standen wir in der vollgepressten Metro Richtung Kifissia. Um uns herum feierten bärtige Männer in Rot-Weiß den Einzug ihres Teams ins Achtelfinale der Champions-League. Ohne besoffenes Gröhlen und ohne Pöbelein. Da kann sich der deutsche 08/15-Fan mal eine dicke Scheibe von abschneiden...
Jedenfalls standen Angel und ich in der Metro und unterhielten uns weiter über Energien, Shiva, den Kosmos und andere Dinge, bis wir merkten, dass einige Leute uns irritiert ansahen. Dann wurde uns auch klar, wie amüsant es für einige Menschen wirken muss, wenn zwei Ausländer sich in einem proppevollen Abteil über Esoterik unterhalten, während wohl alle anderen rumhopsen, singen und sich den tollen Linksschuss zum 1:0 auf ihrem Handy reinziehen. Oh Mann.
Wir stiegen aus und einer jeder ging seiner Wege. Ein schöner Abend, trotz (oder gerade wegen) der Niederlage von Werder Bremen.


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Despina und ich treffen uns gelegentlich per Zufall auf dem Flur oder in der Küche. Und wenn wir reden, dann fallen uns gelegentlich nicht die Wörter im Englischen ein, die wir benutzen möchten. Nach nunmehr knapp 2 ½ Monaten sind wir jetzt dazu übergegangen, die fehlenden Wörter in unserer Heimatsprache zu artikulieren. Sie auf Schwedisch, ich auf Deutsch. Denn Schwedisch ist auch eine germanische Sprache und weist einige Parallelen zum Deutschen auf. Wir reduzieren uns aber auf Substantive, Verben und Adjektive. Beispiele gefällig:

Himmel – Himmel
Kraftlos – Kraftlös
Burg – Borg
wachsen - växa
Mütze – Mössa
Vogel – Fägel
Wasserkocher – Vattenkokare
Halstuch – Halsduk

Alle paar Tage fallen uns neue Begriffe ein, die ich dann in meine Liste einfüge. Es sind schon über 20, und es werden mit Sicherheit noch mehr.

In den nächsten 3 Wochen werden wir aber nicht dazu kommen, neue Wörter zu finden. Dann werde ich nämlich in Deutschland sein und dieser großen Stadt auf absehbare Zeit „antio“ (Auf Wiedersehen) sagen. Noch bin ich aber hier laufe mit offenen Augen durch Athen. Manche Sachen werden mir erst jetzt so richtig bewusst...

Zum Beispiel die eigenartige Form der „Peripteros“. Das sind Kioske, die es (fast) an jeder Straßenecke gibt und bei denen man (fast) alles kaufen kann. Diese kleinen Buden haben die Zeitungen an ihren Dächern hängen, während links und rechts daneben Kühlschränke mit Getränken drin brummen. Geht man frontal auf einen Periptero zu, so sieht man nur den Kopf des Verkäufers, der aus einem ca. 30x40cm großen Fenster heraus guckt. Rundherum ist alles mit Schokoriegeln und Süßigkeiten zugekleistert. Die ganze Konstruktion ist ein kubus-gewordener Bauchladen. Innen gibt's auch nochmal ein dickes Warensortiment, vorrangig Tabak und Telefonkarten. Und eine starke Heizung, denn jedes Mal wenn ich das Wechselgeld entgegen nehme, spüre ich die Wärme in der Bude.
Ist schon toll so ein Periptero. Nicht zuletzt deswegen, weil er mich an die Trinkbuden im Ruhrgebiet erinnert. Nur das hier nicht der Horst abhängt und dem Walter von seine Uschi erzählt. Woll?!

Mir ist letztens auch erst so richtig bewusst geworden, dass zwischen sehr vielen Häuserzeilen Spiegel montiert sind. Besonders häufig sieht man sie in den Straßen mit Kleidungsgeschäften. Man läuft sich tagtäglich mehrmals selbst über den Weg, und sollte man nicht mit seinen Klamotten zufrieden sein, geht man einfach in den nächsten Laden. Oder man zupft sich die Haare zurecht. Oder man probt sein Lächeln für irgendeinen Menschen. Keiner von ihnen hat eine Schramme, geschweige denn einen Riss. Man geht sorgsam mit ihnen um, denn schließlich möchte niemand Kratzer in seinem Gesicht sehen...
Und wenn es sie doch gibt, dann zieht man einfach eine Sonnenbrille auf. Diese gehört nämlich zur Standard-Bekleidung vieler Griechen, besonders zu der der älteren Semester. Eyewear. Selbst in den unterirdischen Metro-Stationen nehmen sie sie nicht ab. Das sieht zwar chic, aber auch übertrieben aus.
Beeindruckend ist es hingegen, wenn sich fast alle Insassen eines Busses oder Zuges bekreuzigen, sobald sie eine Kirche sehen. Wie ein Reflex wandert die Hand von der Stirn zum Brustbein, von dort zum Herzen und anschließend zum rechten Pendant. Viele bekreuzigen sich 3x hintereinander. Vor allem die älteren Frauen. Die Männer eher seltener, aber dafür haben diese einen Rosenkranz, den sie als Zeichen ihres Glaubens mit sich führen.

Nochmal zurück zu den Metro-Stationen. Selten gab es so kurzweilige Momente wie die in den attischen Metro-Stationen. Dort läuft sehr häufig tolle Jazz-Musik und gelegentlich auch griechische Folklore. Dort gibt es kein betrübtes Schweigen oder die monotone Stimme einer gelangweilten Ansage. Der Fahrgast wird akustisch unterhalten bis der nächste Zug kommt. Gerade mir gefällt das sehr gut.

Was mir nicht gefällt ist der tägliche Frisch-Markt in der Nähe von Omonia, denn dort bin ich vor ein paar Tagen durch Zufall gelandet. Naja, was soll ich sagen: Ich ging durch eine Allee aus Fleisch. Ich sah tote Ziegen und Hasen, denen die Haut abgezogen wurde. Sie alle hingen an stählernen Haken und starrten mich durch ihre schwarzen Augen an. Der abgetrennte Schädel einer Kuh hatte noch einige Wimpern und in einem Kabuff hackte ein Metzger mit blutiger Schürze auf einem Stück Tier herum. Die Luft war stickig und roch nach Verrottetem und Fisch und Schweiß und Tod. Ich beschleunigte meinen Gang und atmete die ganze Zeit durch den Mund, bevor ich wieder an die „frische“ Luft kam. Im Reiseführer wurde bereits gesagt, dass dieser Ort nur für Hartgesottene ist.
Ich könnte dort zwar noch einmal durchlaufen, würde es aber wohl versuchen zu vermeiden.

Aber nicht nur in Omonia gibt es einen Markt. Ganz Athen ist ein Markt, ein einziger Basar. Besonders jetzt zur Weihnachtszeit laufen hier noch mehr Inder und Afrikaner rum und verkaufen noch mehr Kitsch und Kack. Das tollste, was ich gesehen habe waren Gummibälle mit fingerlangen Noppen. Oder eine Flummi-Masse in der Form von Tomaten, die man zu Boden wirft. Dort klatscht sie zunächst auf und verteilt sich, bevor sie sich langsam wieder zusammenzieht und nach wenigen Sekunden wieder wie eine Tomate aussieht.
Mit Megaphonen preisen sie ihre Staubfänger an. Und in den Touristenecken, allen voran Monastiraki, wird man mit gefälschten CDs und DVDs zugebombt. Man kann hier in Athen wohl alles bekommen, was irgendwann mal auf einen Silberling gebrannt wurde. Nur eben gefälscht. Selbst an der Uni gibt es Stände mit gefälschten CDs. In der Stadt säumen die fliegenden Händler den Weg mit ihren Duplikaten. Seien es Alben, Filme oder gefakete Handtaschen von Gucci. Die Polizei greift nicht ein und lässt die Händler gewähren. Warum auch nicht, denn die Touristen decken sich gerne mit der einen oder anderen Ware ein. Vor allem Frauen bleiben häufig bei den Handtaschen stehen. „Die gehen wohl ganz gut“ sagt Lucia, die sich manchmal mit den Senegalesen unterhält. Das macht sie auf „Wolof“, welche eine von 6 Nationalsprachen des Landes ist.
Handtaschen verkaufen sich gerade wohl besser als Schuhe und Armbanduhren. Wie an der Börse, so gilt auch hier: The trend is your friend!

Alles andere als „friendly“ finde ich die mobilen Teppichverkäufer, die mich manchmal mit ihren Lautsprecher am frühen Sonntag Morgen (7.30h) aus dem Bett schreien. Sie fahren mit ihren Pick-Ups ganz langsam durch die Straßen und werben für ihr Gewebtes, dass sich auf der Ladefläche befindet. Manchmal tollen dort auch Kinder herum. Mama fährt Auto, während Papa das Mikro in der Hand hat. Ein echt schräges Bild. Aber das ist eben auch Athen.

Und sollte mal die Windschutzscheibe dreckig sein, so wird bestimmt einer der zahlreichen Inder diese gerne gegen einen kleinen Obolus sauber machen. Einen von ihnen sehe ich jeden Tag auf dem Weg nach Hause. Er ist ca. Ende 40 und verkauft, neben seiner Dienstleistung, auch noch Taschentücher. - Hier gibt es ein Überangebot an Taschentüchern. Manchmal steigen auch irgendwelche Junkies in die Busse und verkaufen Taschentücher. Dann torkeln sie durch das fahrende Monstrum und ich frage mich immer wieder, wann sie denn wohl umkippen. Ihre fahlen Augen und der blasse Teint lassen keinen anderen Entschluss zu.
Sie kippen aber nicht um. Sie hangeln sich langsam aber sicher hindurch und bekommen auch ein paar Cent. Dann steigen sie aus und puhlen mit einem Finger in der Handfläche, um das Geld zu zählen. Traurig, aber wahr.

Bus fahre ich aber nicht so oft. Vor allem jetzt, wo die Uni-Zeit für dieses Jahr vorbei ist. Am Dienstag habe ich ein Referat gehalten und somit meine letzte offizielle Handlung für 2007 erledigt. Allerdings habe ich danach noch meine Hausarbeiten besprochen, die ich bis Mitte Februar im Kasten haben muss.
Was mich immer noch etwas irritiert ist die Tatsache, dass Dozent und Student sich Duzen. Die Griechen sehen das hier nicht so eng. Nach dem Unterricht raucht man sich auch gemeinsam eine Zigarette. Dann setzt man sich auf den Tisch und steckt sich eine an. Ganz locker, ganz unverfänglich. Warum auch nicht?! Nein, ich bin nicht spießig. Ich bin es einfach nur ganz anders gewöhnt und ich bezweifle, dass ich es mir angewöhnen werde. Und sollte es doch passieren, muss ich es mir auch ganz schnell wieder abgewöhnen, denn in Dortmund will bestimmt kein Dozent von mir mit „Du“ angesprochen werden. Oder irre ich mich?
Ich weiß, dass Herr Dr. Thiele die Adresse zu diesem Blog hat. Vielleicht möchte er zu diesem Sachverhalt Stellung nehmen und etwas Licht ins Dunkel bringen. Und vielleicht möchte er mir auf diesem Wege auch sein „Du“ anbieten ;-) Falls nicht, nehme ich es ihm auch nicht übel und werde (wenn es sich anbietet)dennoch im nächsten Semester einen Kurs bei ihm belegen. Immerhin hat er mich in seinem Proseminar "Vom Tagebuch zum Weblog" auf die Idee zu diesem Blog gebracht.

Belegt. Besetzt. Voll.
Voll heißt auf Griechisch „Pliris“. Das weiß ich daher, weil in den maroden Aufzügen an der Uni ein rotes „Pliris“-Signal aufleuchtet, wenn die maximale Beladung erreicht ist. Sehr uncharmant, vor allem wenn ein etwas beleibterer Mensch in die Kabine tritt. Dann muss dieser eben aussteigen und auf den nächsten Aufzug warten. Das dauert dann aber mindestens 5 Minuten. Vielleicht sollte er die Stufen nehmen und ein paar Kilo verlieren, damit es vielleicht beim nächsten Mal klappt. Nur Mut...

Ich komme zum Schluss dieses Eintrags nochmal auf Tereza zurück und möchte eine kleine Anekdote erzählen. Nachdem Terezas Opa im Sommer starb, haben ihre Eltern der Oma einen Computer mit Internet-Anschluss besorgt. Seitdem surft und skyped die rüstige Dame durch die Datenautobahn und genießt die technischen Errungenschaften der Gegenwart.
Sie ist eine Frau die viel erlebt hat: Krieg, Hungersnöte, Kommunismus, Frieden. Umso skeptischer war sie als Tereza ihr mitteilte, dass sie hier einen guten Freund aus Deutschland gefunden hat. Beim Aussprechen des Wortes „Deutschland“ kamen wohl viele Erinnerungen hoch, und die Großmutter riet ihr zur Vorsicht. Zugleich räumte sie aber ein, dass diese Zeiten vorbei seien und ich nicht das Geringste damit zu tun habe.
Ein paar Wochen später schickte Tereza ein paar Bilder von uns nach Tschechien. Von den Fotos (und den Erzählungen) schließt sie nun, dass ich ein ganz freundlicher Kerl bin der, obwohl er Deutscher ist, nichts Böses im Schilde führt. Außerdem mag Terezas Oma (ganz im Gegensatz zu ihrer Enkelin) große Männer mit dunklen Haaren. Das hat sie mir heute beim Abendessen in der Mensa erzählt und mir damit ein Lächeln ins Gesicht gezaubert. Möglicherweise klingt es übertrieben, aber vielleicht habe dieser alten Frau nun ein neues Gesicht von Deutschland zeigen können. Mein eigenes Gesicht. Auch wenn ich nicht „Mr. Germany“ bin, so hat es doch ausgereicht, um einen kleinen Sinneswandel zu vollziehen. Ist das nicht schön?

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Mein Video der Woche ist auch von Tereza. Vielmehr ist es eine PowerPoint-Präsentation, die sie für mich im angetrunkenen Kopf gemacht hat. Einleitend muss Folgendes gesagt werden:

Tereza und ich beschimpfen uns manchmal. Nicht bösartig, sondern eher liebevoll. Ich nenne sie „krava“ (tschechisch für „Kuh“), und sie nennt mich „prase“ (tschechisch für „Schwein“).
Nun hat sie mir letztens ihren USB-Stick mitgegeben, damit ich ein paar Fotos draufspiele.
Ich habe den Moment genutzt und eine kleine MP3 erstellt, in der ich sie mit tiefer und ruhiger Stimme auffordere, den Satz „Tereza je krava“ (Tereza ist eine Kuh) hypnotisch zu wiederholen. Ich habe noch Echos hinzugefügt, damit das Ganze wie eine trance-artige Meditation wirkt.
Nun, ich habe erreicht was ich wollte: Tereza hat sich kaputt gelacht. Und als kleines Dankeschön hat sie für mich die besagte Präsentation fertig gemacht.
Ich fasse die Geschichte kurz zusammen, weil man vielleicht die kleine Schrift bei YouTube nicht lesen kann. Das Video ist Lo-Fi. Powerpoint gefilmt mit meiner DigiCam, und anschließend noch komprimiert. Manche werden den Kopf schütteln. Und dennoch werdet ihr es Euch ansehen, weil toll ist und weil es von Herzen kommt. Also:

Es ist die Geschichte von Ben, dem Schwein. Ben isst viele Süßigkeiten, daher beschließen seine Eltern, ihn auf Reisen zu schicken. Irgendwann und irgendwo lernt er die Kuh Tereza kennen. Tereza hat ein Flugzeug und beide fliegen los. Über dem Dschungel in Indien geht ihnen der Sprit aus und sie stürzen ab. Irgendwann treffen sie ein U-Boot am Meer und der Kapitän lädt sie ein mitzukommen. Da Tereza aber Angst vor U-Booten hat, gehen sie weiter. Als nächstes erreichen sie einen Ort namens „Tramtarie“ (tschechisch für „Zauberwald“ oder „Märchenwald“). Dort wurde die Tochter der Königs von einem bösen Drachen entführt. Ben, das mutige Schwein, nimmt den Kampf auf und besiegt das Ungetüm. Zur Belohnung darf er die Prinzessin heiraten und bekommt mit ihr nicht weniger als neun Kinder. Sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende. Tereza hingegen zog weiter und schickte Postkarten an das Paar nach „Tramtarie“. Die erste kam aus Griechenland...

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In der nächsten Woche schreibe ich dann wieder aus Deutschland. Dort werde ich hoffentlich einen ganzen Schub Bilder hochladen können. Ach Deutschland, ich freue mich auf Dich. Kaum zu glauben, aber bald ist Weihnachten und ich bin daheim. Vielleicht sehen wir uns. Es würde mich freuen!

Bis dahin: Kαλά Χριστοΰγευυα (Frohe Weihnachten)
Benjamin

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Hey Ben,

good to see you keep on posting. Have a nice christmas and come home safely.

Take care.
Paul