Fünf Uhr fünf. Ich suche die richtigen Worte, während „July skies“ aus England in meinen Gehörgang wandern. Vor wenigen Minuten bin ich heim gekommen. Alles schläft. Allein oder in Begleitung. Ich habe einen vergleichsweise langen Tag hinter mir und möchte eigentlich nur noch schlafen. Bevor ich jedoch meine Augen für heute schließe, möchte ich noch ein paar Gedanken festhalten, da mir dieser Moment der Richtige zu sein scheint.
Heute morgen klingelte der Wecker um 11h. Sissi kam um halb 1, um mit einigen von uns zu einem Büro der Athener Stadtverwaltung zu gehen. Im Gegensatz zu allein anderen Vermietern will sie uns nämlich eine Steuernummer geben, damit sie ihre Einkünfte aus ihren Wohnungen rechtmäßig zahlen kann. Letztendlich war ich jedoch der Einzige, der heute morgen schon so früh (!) auf den Beinen stand. Wir gingen also los und fanden eine triste Kulisse vor. Eine Schlange mit wartenden Menschen, die in irgendwelchen Papieren blättern. Auf den Fluren standen abgeranzte Sofas und ein Wasserspender, dessen Fontäne einen gefühlten halben Meter hochsprang. Ich fotografierte eine alte Frau, die genau so kaputt aussah wie die Umgebung in der sie sich befand. Zwei Sachbearbeiter versteckten sich hinter ihren Computern und rauchten etliche Zigaretten, während sie ihre Kundschaft betreuten. Die Kulisse könnte einem schlechten Pornofilm entsprungen sein... Wie sich nach einer knappen Stunde Wartezeit herausstellte, war alle Mühe umsonst: Das Büro schloss die Pforten um halb 3 und konnte uns nicht mehr weiterhelfen. Sissi blieb nichts anderes übrig als ihre Sachen zu packen. Sie wird in drei Stunden hier auftauchen und schauen, ob sie einen von uns wieder zu diesem Büro schleppen kann. Die Anmeldung muss nämlich persönlich erfolgen. Louis hat vorsorglich ein Post-It-Aufkleber an seine Tür geklebt: „Do not disturb, please“
Ich hoffe für ihn, dass Sissi auch darauf hören wird. Vor wenigen Tagen gab es hier einen unglaublichen Streit, den ich an dieser Stelle kurz schildern möchte: Sie kam eigentlich nur vorbei, um uns von ihrem Vorhaben mit der Steuernummer zu erzählen. Außerdem bekommt jeder von uns einen Mietvertrag (warum eigentlich jetzt erst), der den Unterlagen beigefügt wird. Irgendwann war das jedoch nicht mehr das Thema, sondern ihr Verhalten uns gegenüber. Vor allem Louis ist ziemlich angenervt von der Tatsache, dass Sissi immer unangemeldet in die Wohnung kommt und sich auch das Recht heraus nimmt, in die Zimmer zu schauen. Wir haben ihren Forderungen bei Beginn des Mietverhältnisses zugestimmt:
Keine Waffen
Keine Drogen
Keine Haustiere
Keine Parties
Nun, Sissi scheint uns nicht zu trauen und stöbert gerne mal bei uns rum. Wir alle finden dieses Verhalten absolut unangebracht. Unserer Meinung nach ist das erst notwendig, wenn ein konkreter Verdacht besteht, dass einer von uns gegen eine von diesen Regeln verstößt. Abgesehen davon ist es sehr unangenehm, wenn sich z.B. einer von uns duscht, das Bad halbnackt verlässt und die Vermieterin dann vor einem steht. Dann bringt sie einen potentiellen neuen Mieter mit, der im Zimmer stöbert und danach die Wohnung verlässt. Später regt sie sich über das (nicht vorhandene) Chaos auf und stilisiert sich selbst zur Gralshüterin des Rechts und der Ordnung. Damit nicht genug: Sie sagt außerdem, dass einige von uns ihr hinter unser aller Rücken von irgendwelchen Problemen oder Konflikten erzählt hätten. Wir haben uns alle darüber unterhalten und festgestellt, dass diese Behauptung absoluter Schwachsinn ist. Wir sind nach wie vor eine tolle WG, in der alle ohne Probleme miteinander klar kommen, und wenn es Probleme gibt, werden die auch sofort angesprochen. Sissi wollte uns nicht glauben und wechselte schnell das Thema. Schrecklich diese Frau. Hinzu kommt, dass sie keinen von uns ausreden lässt. Dementsprechend steigt der Lärmpegel von Satz zu Satz, bis sich alle Beteiligten irgendwann nur noch anschreien. Heute hat sie uns außerdem mit der Tatsache konfrontiert, dass ab Anfang Februar ein deutsches Mädel bei uns ins Wohnzimmer einzieht, welches ab März mein Zimmer übernehmen wird. Wir wären damit also sieben Personen in dieser Wohnung. In Anbetracht der Tatsache, dass der eine oder andere noch Besuch empfängt, wird es hier im wahrsten Sinne des Wortes „voll“ werden.
Gut besucht war heute auch unser schmuckes Barbecue, mit dem wir offiziell die Grillsaison 2008 einläuteten. Dazu hat Louis seinen Laptop samt neuer Boxen auf den Balkon gebracht, während Ondrej und Jirka sich am Grill abwechselten. Als erstes kamen Markus und Nolwenn, später dann Matthieu aus Toulouse und irgendwann noch Berenisse, die ihren japanischen Freund Akira mitbrachte. Der Mann aus Tokio macht gerade eine Europareise. Sein Weg führt ihn von Athen über Berlin, London und Paris nach Island. Insgesamt wird er knapp zwei Monate durch den Kontinent reisen, um dann seinen Heimweg nach Japan anzutreten. Dort wartete eine Stelle im Verteidigungsministerium auf ihn. Das sagt er zumindest.
Ich habe noch nie mit einem Japaner gesprochen, und ihn daher einige Dinge gefragt. Seine Antworten waren kurz, aber aussagekräftig: Ja, es gibt Hotels in Tokio, die nicht mehr sind als eine Röhre, in die man sich schlafen legen kann. Nein, es gibt kein „Outsourcing“ von Rentner auf die Inseln vor Honshu. Ja, wir haben ein Massaker in Nanjing zu verantworten, aber die Chinesen behaupten, dass die Armee unter Kaiser Hirohito mehr Menschen umgebracht hat als es der Wirklichkeit entspricht. Ja, unsere Wirtschaft war Anfang dieses Jahrtausends ein Trümmerhaufen. Nein, es gibt keine Automaten für gebrauchte Damen-Slips....
Louis und ich feierten ein 90er Jahre Revival mit Hits von Inner Circle, La Bouche und 2 Unlimited. Wir waren die Einzigen, die (aus einem Gefühl der Nostalgie) darauf abfuhren. Irgendwann kamen Leute auf uns zu und meinten, dass sie diese Songs irgendwann schon mal gehört hätten. Aus dem Zimmer ihrer großen Schwester oder vom Dachboden, wo der große Bruder sein Unwesen trieb. Louis und ich kamen uns in diesem Moment alt vor. Aber was will man machen? Wir sind nun mal beide 26, während der Rest um uns herum im Durchschnitt 22 ist. Wir sind die Daddys, und das ist das ist eigentlich das etwas schönes. Man sieht, dass Menschen auf uns zu kommen und unsere Meinung zu manchen Dingen wirklich schätzen. Sie öffnen sich uns gegenüber und legen großen Wert auf das, was wir sagen. Nicht alle, aber einige.
Ach Louis. In den letzten zwei Wochen sind wir uns beide etwas näher gekommen. Er klopfte des öfteren an meine Tür und fragte, ob ich ihn nicht für einen Kaffee auf den Balkon begleiten möchte. Dann unterhielten wir uns über die beiden Weltkriege, Politik und gute Musik. Der Mann ist ziemlich detailversessen und kennt sich vor allem mit Flugzeugen gut aus. So erzählt er mir immer wieder von Fehlern in diversen Kriegsfilmen: Hier wurde ein amerikanisches Auto für ein deutsches ausgegeben, dort machte ein Flugzeug einen unmöglichen Looping, hier stimmt die Farbe des Vehikels nicht etc etc etc. Ein richtiger Crack.
Wenn er nicht gerade bei seiner Freundin ist, dann sitzt er in seinem Zimmer und hört sich die wildesten Sachen an: Französischen Pop, AC/DC, den Männerchor der Kirche in St. Petersburg (sehr zu empfehlen) oder Tangerine Dream, die mit ihren Synthesizer-Welten die Wohnung erhellen.
Ein ziemlich smarter Typ, der gelegentlich mal etwas über die Stränge schlägt, sich dann aber immer wieder einpendelt. Ich weiß nicht, ob ich ihn irgendwann mal wieder sehen werde. Er und ich teilen die Auffassung, dass das einsetzende Gerede á la „Wir bleiben alle in Kontakt“ leere Worthülsen sind. Wenn ein jeder wieder zu Hause ist, werden die Karten neu gemischt und es wird sich zeigen, ob es gelingen wird, die Freundschaften wirklich aufrecht zu erhalten. Wir sind skeptisch. Ich habe niemandem (außer Tereza) einen Besuch versprochen, und so wie es aussieht, wird es auch dabei bleiben. Mit Louis allerdings würde ich mich gerne mal wieder treffen. Vielleicht in Verdun, wo er mir die Schützengräben und die Soldatenfriedhöfe zeigen kann. Der Junge weiß soviel über die Kriege, unglaublich. Abgesehen davon habe ich wohl in Frankreich ein Land gefunden, dass ich etwas näher entdecken möchte. Das liegt daran, dass ich hier einige Franzosen kennen gelernt habe und sie alle von ihrer Heimat schwärmen. Sei es in ihren Erinnerungen, oder sei es in Form von Bildern. Ich war bisher nur in Paris, möchte dies aber langfristig ändern. Vielleicht mit Louis, der in Tours wohnt. Vielleicht mit Matthieu, der mich nach Toulouse eingeladen hat. Vielleicht auch mit einer anderen Person. Man wird sehen. Noch bin ich hier, doch in knapp einem Monat werde ich meine Heimreise antreten...
Auf der einen Seite freue ich mich über die Rückkehr nach Dortmund und mein Leben in meiner dortigen WG. Ich freue mich auf viele Menschen und auf meine Uni. Ich freue mich auf mein Leben in Deutschland und habe einige Pläne, die darauf warten umgesetzt zu werden.
Auf der anderen Seite sehe ich, dass ich einige Leute in Athen sehr lieb gewonnen habe. Viele von ihnen werde ich vielleicht nie wieder sehen. Genauso wie die Stadt selbst. Wie viele Wochen habe ich sie verflucht, habe sie verwünscht und ihren grauen Atem zum Teufel gejagt. Und jetzt? Jetzt sitze ich im Bus oder laufe durch die Straßen und entdecke versteckte Schönheiten. Sehe Menschen und Tiere und Häuser mit anderen Augen. Es scheint, als habe ich meinen Blick für die Details wiedergewonnen. Mein Fotoapparat, der langsam aber sicher eine Staubschicht ansetzte, ist nun wieder mein ständiger Begleiter.
Was ist das? Was ist das für ein Gefühl? Ist es das Wissen, bald nicht mehr hier zu sein und ein damit verbundener Drang, alles mögliche aufzusaugen? Ist es mein Faible für die Ästhetik des Hässlichen? Ist es der Wunsch, Impressionen zu konservieren? Ich weiß es nicht. Vielleicht ist es auch besser gar nicht darüber nach zu denken und sich einfach hinzugeben. Die Reflektion kommt früher oder später von selbst. Jetzt kommen die letzten Wochen, und denen sollte man sich ungeniert hingeben. Ich habe das Gefühl, dass es sehr bewegende Wochen werden.
Bewegung findet sich momentan in allen Bereichen meines Lebens hier in Athen. So kommt z.B. endlich „geistige“ Bewegung in meine Hausarbeiten und Klausuren. Eine Hausarbeit ist erledigt, und wartet nun noch eine weitere auf mich, die ich allerdings schon begonnen zu schreiben. Eine „physische“ Bewegung wird es Mitte Februar geben, wenn Tereza und ich einen mehrtägigen Ausflug zum Peloponnes (dort, wo im letzten Jahr die entsetzlichen Waldbrände herrschten), nach Kreta und nach Santorini unternehmen. Außerdem planen wir, am kommenden Wochenende nach Meteora zu fahren, um uns dort die Klöster anzusehen. Das werden sicherlich sehr lehrreiche und erholsame Ausflüge. Ich freue mich riesig darauf, Griechenland von einer anderen Seite kennen zu lernen. Ich bin gespannt auf ein großes Land, auf offene Flächen, auf die Berge und das Meer. Ich freue mich darauf, Athen für ein paar Tage wieder hinter mich zu lassen. Und ich freue mich nicht zuletzt auf ein paar ruhige Tage.
Doch bis dahin fließt noch viel Wasser den Rhein hinunter, und meine zweite Hausarbeit bedarf keines weiteren Aufschubs. Ich möchte sie Ende nächster Woche im Kasten haben. Hoffentlich klappt das auch, denn mein Neugier nach Belanglosem entwickelt ein Eigenleben, welches mein Arbeitstempo drastisch senkt. Meine Güte, was habe ich mir für einen Scheiss reingezogen: Ich habe mir den kompletten Artikel über „Mike Tyson“ bei Wikipedia durchgelesen und mir anschließend Video-Compilations von seinen besten Knock-Outs bei YouTube angesehen. Oder alte Werbespots aus den 1980er Jahren. Oder mein neuer Account bei Facebook, bei welchem ich mich mit einigen meiner Bekanntschaften aus Athen verlinkt habe. Schlimm. Zwar ist es nicht verkehrt, wenn ich mich mit dem Verlauf der Wahlen in Hessen und Niedersachsen beschäftige, und auch gelegentlich ein Auge auf die „Primaries“ in den USA werfe. Aber dann fällt es mir auch schwer, mich davon zu lösen und mich den wichtigen Dingen zu widmen. Zum Beispiel meiner Hausarbeit. Ich muss mir in diesen Tagen wirklich des öfteren in den Arsch treten. Anders wird es nicht klappen. Wird es aber.
Zumindest muss ich in dieser Woche nicht mehr zur Uni und kann mich getrost an die Arbeit zu Hause begeben. Die Uni ist spätestens bis Freitag geschlossen, so wie viele andere städtische und staatliche Einrichtungen in ganz Griechenland. Der Grund: Der Erzbischof von Athen, der gleichzeitig das Oberhaupt der Griechisch-Orthodoxen Kirche ist, verstarb vor zwei Tagen. Es ist eine mehrtägige Staatstrauer verordnet worden, die Flaggen hängen auf Halbmast. Am Freitag könnte es regulär mit dem Unterricht weitergehen, aber es wird aufgrund eines weiteren Streiks nicht dazu kommen. Vor ein paar Tagen habe ich mich mit einer Dozentin unterhalten und sie sagte mir, dass sie hier in Athen genau dieselbe Menge Geld für eine Vollzeitstelle bekommt wie in Deutschland für eine Teilzeitstelle. Sie selbst bezeichnet diesen Zustand als „Scheisse“ und wird sich dem Streik anschließen. Ich kann das verstehen, denn die Lebenshaltungskosten stehen denen ich weiten Teilen Deutschlands in nichts nach. Bleibt nur zu hoffen, dass sie und ihre Kollegen demnächst wirklich mehr Geld bekommen. Ansonsten sieht es für sie genauso schlecht aus wie für die Studenten, deren Stundenzahlen durch die permanenten Proteste schwindend gering sind.
. . .
Athena, auch du bist ein Monster. Vor einigen Tagen sah ich wieder die Heroin-Junkies vor dem Museum, wie sie sich ihren Schuss mit einem Löffel und einem Feuerzeug vorbereiteten. Die Spritze lag schon bereit und wartete förmlich darauf benutzt zu werden. Und danach? Ein Traum, ein Trip, ein Paradies? Ich sehe sie auf der Bank sitzen, speicheltriefend. Ihre Gesichter scheinen zu fossilieren. Lebende Tote. Sie schlafen unter freiem Himmel und niemand scheint sich um sie zu kümmern. Es gibt sie überall, auch in Dortmund und in Bad Godesberg. Wie kann es nur soweit kommen. Ich verstehe es nicht, und ich muss es auch nicht begreifen. Lost souls.
...
Mir fällt es etwas schwer, mich von diesem kurzen Einschub wieder zu lösen, möchte aber gegen Ende dieses Eintrag noch von Annes lieblichen Unplugged-Konzert in ihrer Wohnung berichten. Sie sang, während Jussi aus Finnland eine Akustik-Gitarre spielte. Man hatte den Eindruck, dass die halbe Erasmus-Fraktion sich in diese 4 Wände quetschte, um ihre schön vorgetragenen Cover-Songs von den Beatles, Radiohead oder Damien Rice zu hören. Irgendwann ging das Licht aus, und nur die wenigen Kerzen auf den Tischen und Regalen ließen vereinzelte Blicke auf die Hörer und deren Lächeln auf den Lippen zu.
Zunächst war Anne etwas zurückhaltend, doch spätestens nach dem zweiten Song hatte sie (bestärkt durch den Applaus) Mut gefasst und alles gegeben. Vor allem bei „Wonderwall“ war sie sehr gut. Das habe ich ihr hinterher auch gesagt. Ob sie es verstanden hat weiß ich nicht, denn nach dem Konzert war sie in total anderen Sphären und wollte nur noch Wein trinken. Ach, gute Anne. Vor ein paar Tagen hat sie mir einen heißen Tip gegeben: In Exarchia gibt es wohl einen tollen Second-Hand Shop, der auch viele Cord-Waren führt. Sobald ich etwas mehr Luft habe, werde ich mich auf den Weg dorthin machen und meinen Koffer für die Rückreise noch ein paar Kilo extra zumuten.
Vielleicht hole ich mir auch nochmal Wintersachen, denn gestern fing es hier plötzlich an zu schneien. Das war ein schönes Bild: Auf den Hügeln ringsum die Stadt lag eine Schneedecke, während am Himmel nur vereinzelt Wolken zu sehen waren. Jirka schoss ein Foto, bei mir wirklich alles aus dem Gesicht gefallen ist. Ich werde es mir besorgen und hochladen, damit ihr es euch auch ansehen könnt.
Mensch Athena, sollte ich Dich auf den letzten Metern doch noch anfangen zu mögen? Du bist schon sehr eigenartig, dass muss man Dir lassen. Eine deiner Merkwürdigkeiten ist ein ominöser Hahn, der jeden Morgen gegen halb 5 anfängt zu krähen. Ich weiß nicht wo Du ihn versteckt hast, aber es gibt ihn. Irgendwo in diesem Wirrwarr aus Straßen und Gehwegen hockt ein Gockel und kräht. Ich muss jedes Mal den Kopf schütteln und zugleich schmunzeln. Hast Du sonst noch irgendwelche Überraschungen auf Lager? Ich werde nun aufmerksamer durch die Straßen gehen. Versprochen.
Auf bald. Benjamin
P.S: Mein Video der Woche ist ein Fundstück bei YouTube, das ich meinem Ablenkungskünsten zu verdanken habe. Es zeigt einen Werbespot für das „Überraschungsei“ von 'Kinder' aus den 1980er Jahren. Gott sei Dank lief der Spot wohl nur in den USA. Wäre er in Deutschland über die Mattscheibe geflimmert, hätte er mich wohl sehr verstört. Seht es euch selbst an. Yumm yumm.
Mittwoch, 30. Januar 2008
Samstag, 26. Januar 2008
Mittwoch, 16. Januar 2008
Alltag - Gossip
Wieder in Athen. Wieder in meinem Bett und wieder mit schöner Musik. Damien Rice hat mein volles Vertrauen und wird mich in den nächsten Minuten begleiten. Vorbei ist die schöne und viel zu kurze Zeit in Deutschland. Eine letzte Dusche mit Papas Silberglanz-Shampoo von Guhl, ein letztes Mal vorbei an den Gyros-Buden, die sich „Mykonos-Grill“ oder „Akropolis-Taverne“ nennen und dem Pott einen Hauch von Griechenland verpassen wollen. Eine letzte Umarmung mit allen Menschen, die mir wichtig sind und die mich wohlbehalten im März wiedersehen wollen. Ein letzter Schritt auf heimischem Boden, bevor die Füße die Treppe zum Flugzeug hinaufsteigen und dieses Richtung Süd-Osten steuert. Mit Markus und Julia an Bord, die nun auch wieder hier sind.
Vorbei die Zeit, aber immer noch in mir. Vor allem wenn ich sehe, wie sehr ich meinen Akku in diesen 19 Tagen aufgeladen habe. Die Zeit bei meiner Familie und bei Selda hat mir sehr gut getan und mir das gegeben, was ich für die verbleibenden Wochen in dieser Stadt brauche: Stille, innere Ruhe und Konzentration. Mein Programm ist üppig...
In den nächsten 4 Wochen muss ich zwei Hausarbeiten fertig haben. Zwischendurch schreibe ich noch zwei Klausuren und werde bereits in der kommenden Woche ein Referat halten. In den letzten Tagen habe ich mir noch einige Infos aus den Dortmunder Bibliotheken besorgt. Der Großteil der Bücher finde ich jedoch hier in der Bereichsbibliothek. Und so sitze ich nun seit Beginn dieser Woche sehr häufig über den Büchern und schreibe mir das Wichtigste aus ihnen heraus. Vorerst beschäftige ich mich mit Heinrich von Kleist, seinem „zerbrochnen Krug“ und dessen Rezeption.
In der kommenden Woche wende ich mich dann nochmal Herrn Gellert und der Empfindsamkeit zu, bevor es in der darauf folgenden Woche bereits die erste Klausur des Jahres gibt.
Und was geschieht neben dem Uni-Leben?
Ich wurde sehr warm und freundlich von meinen Mitbewohnern empfangen. Louis lud mich direkt auf eine Franzosen-Party ein, welche ich dem Auspacken des Koffers und einem kleinen Abendbrot auch besucht habe. Tereza war mit von der Partie. Tja, da waren sie wieder, die bekannten Gesichter. Ondrej hatte Besuch aus Tschechien, der ihm die langen Haare abschnitt und ihn optisch 4-5 Lebensjahre nahm.
Jirka ist auch wieder hier. Er wirkt erholt, lässt sich aber seltener blicken. Kein Wunder, denn er muss ziemlich viel Stoff für die Klausuren nachholen. Es ist dennoch schön, ihn wieder hinter meiner linken Zimmerwand zu wissen. Louis zur Rechten hört nach wie vor seine wilde Rock- Pop-Suppe und singt gelegentlich dazu. Heute hat er sich ein Lautsprecherset für seinen Laptop gekauft, weil dessen Boxen schon arg stöhnen. Demnächst werden Bands wie 'Led Zeppelin' oder 'Bachmann Turner Overdrive' mit mehr Bass in dieser Wohnung zu hören sein. Von mir aus gerne. Vorausgesetzt, es passiert nicht allzu spät. Aber da lässt Louis mit sich reden.
Hier ist alles im Lot. Vorhin habe ich meine nasse Wäsche aufgehangen und ein wenig mit Lucia gesprochen. Diese chattete gerade mit Despina, welche sich im Nebenzimmer befand. Ich habe laut darüber gelacht, und Despina schrieb Lucia umgehend, dass sie meine Lache mag. Lucia hat Despina zuvor jedoch davon erzählt, dass zwei meiner Unterhemden nun einen besch... roten Ton haben, da mein schmucker Pullover aus Nicki doch noch abfärbte. Despina teilte mir über Lucia mit, dass sie das Problem kenne und ich nicht traurig sein solle. Ich lachte wieder und bedankte mich lauthals für Despinas Mitgefühl. Diese stieß einen zustimmenden Ton aus dem Nebenzimmer aus. Nachdem ich alles aufgehangen war, sagte ich kurz „see you“ zu Lucia, und sie war kurz davor, mir ihr „see you“ auf der Tastatur zukommen zu lassen.
So ist das heute. Wenn ich nicht wüsste, dass die beiden Mädels nicht noch andere Sachen zu tun haben, würde ich mir ernste Sorgen machen. Das sind schon zwei Trullas ;-)
Und Athen selbst?
Die Stadt brodelt und pulsiert wie eh und je. Heute morgen gab es eine schöne, bezeichnende Lektion in griechischer Ordnung. Ein Auto hatte auf der Patission geparkt und wurde umgehend abgeschleppt. Die Polizei griff hart durch, schraubte sogar die Nummernschilder des Wagens ab und drückte diese dem verzweifelten, wild herumgestikulierenden Besitzer in die Hand. Da war nichts zu machen: Du hast den Verkehr aufgehalten, und nun musst Du dafür bluten. Ich ging die Straße weiter hinunter zur Bushaltestelle. An einem Kiosk hielt ebenfalls ein Wagen.
Als nun die Polizei mit dem bereits abgeschleppten Wagen im Schlepptau eben jenen Wagen sahen, hielten sie kurzerhand an und diskutierten wild mit dessen Besitzer. Nun waren insgesamt 2 der 3 Fahrbahnen blockiert, so dass sich der Verkehr wiederum über mehrere Meter staute. Wahnsinn.
Der Fahrer des LKW, dessen Beifahrer und der Besitzer des Autos kloppten sich verbal, und kurz hatte ich den Eindruck, sie würden aussteigen und weiß der Henker was machen.
So ist das manchmal hier. Der Staat versucht Struktur und Disziplin unter das Volk zu bringen, und schafft dadurch noch mehr Verwirrung. Manchmal schafft er jedoch auch ganz von selbst Unordnung. Momentan liegen zwei enge Berater des amtierenden griechischen Ministerpräsidenten Karamanlis im Athener Krankenhaus. Der eine hat seinen Aufgabenbereich bei der Kultur, der andere in der Wirtschaft. Als der Kulturberater nun einige Mittel für ein Archäologie-Projekt streichen wollte, verführte dessen Leiterin kurzerhand den beleibten Mann und erpresste diesen mit dem entstandenen Sex-Video. Dieser suchte dann kurz vor Silvester den Freitod, allerdings verfehlte der Sprung aus dem 4. Stock seine Wirkung. Der andere Berater steht unter dringendem Korruptionsverdacht, da warf er sich kurzerhand vor einen anrollenden LKW. Beide überlebten schwer-verletzt und lassen die aktuelle Regierung in einem schlechten Licht dastehen, welche momentan wohl alles andere als gut ankommt. Vor allem in der Presse.
Vielleicht wird die nächste Regierung wieder mehr linksgerichtet. Die Kommunisten haben heute in der Uni wieder einmal Propaganda betrieben und das gesamte Gebäude mit ihren Denkschriften beschallt. In den Redepausen liefen dann Stücke von 'System of a down' oder den altbekannten 'Rage against the machine'. Ich hatte heute keinen Unterricht, aber es muss schon eine spaßige Erfahrung gewesen sein, in einem Raum zu sitzen und dem Dozenten zu lauschen, während aus der Ferne die Worte „Fuck you I won't do what you tell me“ aus großen Lautsprechern knallen. So was habe ich sonst nur in einer Disko erlebt, aber nicht an der Uni. Ich habe manchmal echt den Eindruck, die Leute können hier machen was sie wollen. Vielleicht ist es auch so. Sehr sympathisch, aber nicht gerade der richtige Ort. An der Uni möchte ich Ruhe haben, damit es mit dem Lernen besser läuft. Die Uni in Athen ist Treffpunkt der linken Szene und auch deren Spielplatz. Und wenn sie Lust haben, machen sie daraus kurzerhand einen Club. Ganz gleich, ob gerade unterrichtet wird oder nicht. „Killing in the name of“ - Heute haben sie für kurze Zeit meine Konzentration getötet. Rabauken.
Bei Gesprächen in der Mensa stelle ich immer wieder fest, wie gerne einige Studenten gleich in der Heimat geblieben wären. Vor allem die Spanier tun sich schwer damit nun wieder hier zu sein. Sara aus Rom hat die Schnauze so richtig voll. Sie schreibt in der nächsten Woche ihre einzige Klausur und verzieht sich dann wieder Richtung Italien. Sie hasst Athen. Viele andere Leute können mit dieser Stadt nicht viel anfangen, und so kann ich die Zahl derer, die sich wirklich für sie begeistern können, an zwei Händen abzählen. Vielen Studenten raubt der Verkehr unzählige Nerven, und der Smog macht sie wirr und anfällig für Erkältungen. Athen soll übrigens dahingehend die zweitschlimmste Hauptstadt der Welt sein. Vor ihr rangiert nur noch Mexiko-City. Viel Spaß all denen, die da mal hin müssen.
Ich habe nun fast zwei Wochen nichts mehr von mir hören lassen, und habe aufgrund des vielen Lesens und Schreibens auch nicht viel neues zu berichten. Gleich werde ich mich auch noch einmal an den Schreibtisch setzen und mit dem Handout für mein Referat beginnen.
Auf bald. Ben
- - -
Mein Video der Woche ist ein gestelltes. Ganz sicher gestellt.
Vorbei die Zeit, aber immer noch in mir. Vor allem wenn ich sehe, wie sehr ich meinen Akku in diesen 19 Tagen aufgeladen habe. Die Zeit bei meiner Familie und bei Selda hat mir sehr gut getan und mir das gegeben, was ich für die verbleibenden Wochen in dieser Stadt brauche: Stille, innere Ruhe und Konzentration. Mein Programm ist üppig...
In den nächsten 4 Wochen muss ich zwei Hausarbeiten fertig haben. Zwischendurch schreibe ich noch zwei Klausuren und werde bereits in der kommenden Woche ein Referat halten. In den letzten Tagen habe ich mir noch einige Infos aus den Dortmunder Bibliotheken besorgt. Der Großteil der Bücher finde ich jedoch hier in der Bereichsbibliothek. Und so sitze ich nun seit Beginn dieser Woche sehr häufig über den Büchern und schreibe mir das Wichtigste aus ihnen heraus. Vorerst beschäftige ich mich mit Heinrich von Kleist, seinem „zerbrochnen Krug“ und dessen Rezeption.
In der kommenden Woche wende ich mich dann nochmal Herrn Gellert und der Empfindsamkeit zu, bevor es in der darauf folgenden Woche bereits die erste Klausur des Jahres gibt.
Und was geschieht neben dem Uni-Leben?
Ich wurde sehr warm und freundlich von meinen Mitbewohnern empfangen. Louis lud mich direkt auf eine Franzosen-Party ein, welche ich dem Auspacken des Koffers und einem kleinen Abendbrot auch besucht habe. Tereza war mit von der Partie. Tja, da waren sie wieder, die bekannten Gesichter. Ondrej hatte Besuch aus Tschechien, der ihm die langen Haare abschnitt und ihn optisch 4-5 Lebensjahre nahm.
Jirka ist auch wieder hier. Er wirkt erholt, lässt sich aber seltener blicken. Kein Wunder, denn er muss ziemlich viel Stoff für die Klausuren nachholen. Es ist dennoch schön, ihn wieder hinter meiner linken Zimmerwand zu wissen. Louis zur Rechten hört nach wie vor seine wilde Rock- Pop-Suppe und singt gelegentlich dazu. Heute hat er sich ein Lautsprecherset für seinen Laptop gekauft, weil dessen Boxen schon arg stöhnen. Demnächst werden Bands wie 'Led Zeppelin' oder 'Bachmann Turner Overdrive' mit mehr Bass in dieser Wohnung zu hören sein. Von mir aus gerne. Vorausgesetzt, es passiert nicht allzu spät. Aber da lässt Louis mit sich reden.
Hier ist alles im Lot. Vorhin habe ich meine nasse Wäsche aufgehangen und ein wenig mit Lucia gesprochen. Diese chattete gerade mit Despina, welche sich im Nebenzimmer befand. Ich habe laut darüber gelacht, und Despina schrieb Lucia umgehend, dass sie meine Lache mag. Lucia hat Despina zuvor jedoch davon erzählt, dass zwei meiner Unterhemden nun einen besch... roten Ton haben, da mein schmucker Pullover aus Nicki doch noch abfärbte. Despina teilte mir über Lucia mit, dass sie das Problem kenne und ich nicht traurig sein solle. Ich lachte wieder und bedankte mich lauthals für Despinas Mitgefühl. Diese stieß einen zustimmenden Ton aus dem Nebenzimmer aus. Nachdem ich alles aufgehangen war, sagte ich kurz „see you“ zu Lucia, und sie war kurz davor, mir ihr „see you“ auf der Tastatur zukommen zu lassen.
So ist das heute. Wenn ich nicht wüsste, dass die beiden Mädels nicht noch andere Sachen zu tun haben, würde ich mir ernste Sorgen machen. Das sind schon zwei Trullas ;-)
Und Athen selbst?
Die Stadt brodelt und pulsiert wie eh und je. Heute morgen gab es eine schöne, bezeichnende Lektion in griechischer Ordnung. Ein Auto hatte auf der Patission geparkt und wurde umgehend abgeschleppt. Die Polizei griff hart durch, schraubte sogar die Nummernschilder des Wagens ab und drückte diese dem verzweifelten, wild herumgestikulierenden Besitzer in die Hand. Da war nichts zu machen: Du hast den Verkehr aufgehalten, und nun musst Du dafür bluten. Ich ging die Straße weiter hinunter zur Bushaltestelle. An einem Kiosk hielt ebenfalls ein Wagen.
Als nun die Polizei mit dem bereits abgeschleppten Wagen im Schlepptau eben jenen Wagen sahen, hielten sie kurzerhand an und diskutierten wild mit dessen Besitzer. Nun waren insgesamt 2 der 3 Fahrbahnen blockiert, so dass sich der Verkehr wiederum über mehrere Meter staute. Wahnsinn.
Der Fahrer des LKW, dessen Beifahrer und der Besitzer des Autos kloppten sich verbal, und kurz hatte ich den Eindruck, sie würden aussteigen und weiß der Henker was machen.
So ist das manchmal hier. Der Staat versucht Struktur und Disziplin unter das Volk zu bringen, und schafft dadurch noch mehr Verwirrung. Manchmal schafft er jedoch auch ganz von selbst Unordnung. Momentan liegen zwei enge Berater des amtierenden griechischen Ministerpräsidenten Karamanlis im Athener Krankenhaus. Der eine hat seinen Aufgabenbereich bei der Kultur, der andere in der Wirtschaft. Als der Kulturberater nun einige Mittel für ein Archäologie-Projekt streichen wollte, verführte dessen Leiterin kurzerhand den beleibten Mann und erpresste diesen mit dem entstandenen Sex-Video. Dieser suchte dann kurz vor Silvester den Freitod, allerdings verfehlte der Sprung aus dem 4. Stock seine Wirkung. Der andere Berater steht unter dringendem Korruptionsverdacht, da warf er sich kurzerhand vor einen anrollenden LKW. Beide überlebten schwer-verletzt und lassen die aktuelle Regierung in einem schlechten Licht dastehen, welche momentan wohl alles andere als gut ankommt. Vor allem in der Presse.
Vielleicht wird die nächste Regierung wieder mehr linksgerichtet. Die Kommunisten haben heute in der Uni wieder einmal Propaganda betrieben und das gesamte Gebäude mit ihren Denkschriften beschallt. In den Redepausen liefen dann Stücke von 'System of a down' oder den altbekannten 'Rage against the machine'. Ich hatte heute keinen Unterricht, aber es muss schon eine spaßige Erfahrung gewesen sein, in einem Raum zu sitzen und dem Dozenten zu lauschen, während aus der Ferne die Worte „Fuck you I won't do what you tell me“ aus großen Lautsprechern knallen. So was habe ich sonst nur in einer Disko erlebt, aber nicht an der Uni. Ich habe manchmal echt den Eindruck, die Leute können hier machen was sie wollen. Vielleicht ist es auch so. Sehr sympathisch, aber nicht gerade der richtige Ort. An der Uni möchte ich Ruhe haben, damit es mit dem Lernen besser läuft. Die Uni in Athen ist Treffpunkt der linken Szene und auch deren Spielplatz. Und wenn sie Lust haben, machen sie daraus kurzerhand einen Club. Ganz gleich, ob gerade unterrichtet wird oder nicht. „Killing in the name of“ - Heute haben sie für kurze Zeit meine Konzentration getötet. Rabauken.
Bei Gesprächen in der Mensa stelle ich immer wieder fest, wie gerne einige Studenten gleich in der Heimat geblieben wären. Vor allem die Spanier tun sich schwer damit nun wieder hier zu sein. Sara aus Rom hat die Schnauze so richtig voll. Sie schreibt in der nächsten Woche ihre einzige Klausur und verzieht sich dann wieder Richtung Italien. Sie hasst Athen. Viele andere Leute können mit dieser Stadt nicht viel anfangen, und so kann ich die Zahl derer, die sich wirklich für sie begeistern können, an zwei Händen abzählen. Vielen Studenten raubt der Verkehr unzählige Nerven, und der Smog macht sie wirr und anfällig für Erkältungen. Athen soll übrigens dahingehend die zweitschlimmste Hauptstadt der Welt sein. Vor ihr rangiert nur noch Mexiko-City. Viel Spaß all denen, die da mal hin müssen.
Ich habe nun fast zwei Wochen nichts mehr von mir hören lassen, und habe aufgrund des vielen Lesens und Schreibens auch nicht viel neues zu berichten. Gleich werde ich mich auch noch einmal an den Schreibtisch setzen und mit dem Handout für mein Referat beginnen.
Auf bald. Ben
- - -
Mein Video der Woche ist ein gestelltes. Ganz sicher gestellt.
Mittwoch, 2. Januar 2008
Ny batteri
Frohes neues Jahr!! Hier ist der neue Eintrag: Geschrieben am 29.12.2007, aber jetzt erst veröffentlicht. Viel Spaß.
...ich wache schon vor der eingestellten Weckzeit auf und gehe in die Küche, um mir ein kleines Frühstück zu bereiten. Sieben Uhr morgens in Athen. Weihnachtstag und alles schläft. Ich putze mir die Zähne und packe den Kulturbeutel in den Koffer. Schuhe anziehen, Rollos herunterlassen und „ByeBye-Zettel“ unter die Türen schieben. Ein letzter Blick, bevor ich die Tür schließe und mich auf den Weg zum Flughafen mache. Ein milder Morgen. Mein Koffer klackert auf dem modernen Kopfsteinpflaster und zieht einige Blicke auf sich. In der Metro sehe ich viele Kinder, die eine Triangel schlagen und dazu ein Liedchen singen. Danach sammeln sie Geld von der Fahrgästen, die es ihnen offensichtlich auch gerne geben. Am Flughafen erwartet mich eine kleine Fee, die mir ein Schokoladenstück in die Hand drückt. Darauf steht „Happy new year“ geschrieben. Neben ihr watschelt ein Daffy Duck, der von etlichen Kindern umringt wird. Ich gehe weiter zum Terminal A 12-14 und gebe meinen Koffer auf. Danach geht’s direkt durch den Sicherheits-Check in die Wartehalle. Der Flieger kommt, ich steige in den Bus und steige in den Airbus, welcher u.a. über die Alpen fliegt...und der mich nach Hause bringt.
Landeanflug. Ich sehe die kahlen Bäume und weiße Schrift auf blauen Autobahnschildern. 3-2-1 Touchdown. Peinlicherweise klatschen die Fluggäste. Ich schaue aus dem Fenster und weiß nun ganz genau, wieder in dem Land zu sein, in das ich mich in so vielen Momenten hin sehnte. Ja, ich werde sentimental. Der Gedanke, meinen Vater gleich zu sehen erzeugt emotionale Schübe und benetzt meine Augen mit einem leichten Tränenfilm. Aber ich reiße mich zusammen, hole meinen Koffer und gehe zum Ausgang. Da steht er, der Bär. Wir umarmen uns und gehen zum Auto. Vorbei
geht es an den Köln, Wuppertal und Recklinghausen. Meine Augen saugen die Landschaft auf wie Schwamm. Alles ist mir so bekannt, und dennoch entdecke ich nun einiges neu.
Als ich die Haustür öffne und meine Mutter mich sieht, lässt sie alles stehen und liegen, umarmt mich ganz feste und küsst meine Wangen. Sie hat sich bestimmt auf die Zehenspitzen gestellt um das zu bewerkstelligen. Und da standen wir für gefühlte 10 Minuten und drückten uns. Es ist ein unglaublich eindringliches und warmes Gefühl, wenn man sich nach mehreren Monaten das erste Mal wieder gegenübersteht. Wenn die große und unüberwindlich erscheinende Distanz nun nicht mehr vorhanden ist und die geliebten Menschen zum Greifen nahe sind. Dann erscheinen einem die vergangenen Wochen, die in der Ferne manchmal nie enden wollten, wie ein Wimpernschlag. Ein kleiner Augenblick, welcher auch gestern hätte stattfinden können.
Wir aßen zu Abend und hörten das Weihnachts-Album von James Last, das zwar kitschig-idyllisch ist, aber doch immer wieder zum gegebenen Anlass passt. Später gingen wir ins Wohnzimmer und der Reihe nach überreichte jeder jedem seine Geschenke. Meine Eltern und meine Oma haben sich sehr über die Vasen aus Athen gefreut. Genauso wie meine Schwester, der ich ein schmuckes Shirt aus Hellas mitbrachte. Ich selber wurde ebenfalls reich beschenkt mit DVD's, Schlafanzügen (Oh Mann, ich werde alt ;-)), Geld und Büchern. Tereza hat mir auch ein Geschenk mitgegeben. Ein Bilderbuch zum Ausmalen, in welches sie auf Griechisch, Englisch, Tschechisch und Deutsch
Gedichte hineinschrieb, die unsere Freundschaft untermauern sollen. Darüber, und über viele andere Dinge habe ich mich sehr gefreut. Am meisten freute es mich jedoch, wieder im Kreise der Familie zu sein. Wir tranken Wein und ich erzählte ein wenig von Athen. So wurden Sekunden zu Minuten und Minuten zu Stunden.
Gegen halb elf verabschiedete ich mich, um, wie jeden Heiligabend, in den „Wurstkessel“ zu gehen.
Ich zog also meine Schuhe an, streifte mir eine Jacke über und packte meine Handschuhe in die Tasche. Dann verließ ich das Haus und hörte etwas, was ich schon lange nicht mehr so intensiv wahrnahm: Stille. Sie drang durch meine Ohren wie ein heilender Balsam, wirkte wie „Wick Vapo-Rub“ auf erkälteten Atemwegen oder wie Wasser, das man auf loderndes Feuer gießt. Sie drang in mich und verteilte sich in meinem ganzen Körper. Es war viel zu schön, um wahr zu sein. Selten habe ich mich so gefreut, wieder in Oer-Erkenschwick zu sein. Der Stadt, in welcher mir auf dem
Weg in diese Kneipe nur 3 Menschen und 5 Autos entgegenkamen. Die Stadt, in der die Sparkasse steht, in der in 2 Jahre gearbeitet habe und die ich mit einem dicken Stinkefinger bedachte, weil es mir nun als Student viel besser geht. Und nicht zuletzt die Stadt, die die Heimat vieler Freunde und Kollegen ist...
Ich öffne die Tür des Wurstkessels und entdecke sie, die bekannten Gesichter. Man grüßt sich, drückt sich, trinkt etwas miteinander. Fast so wie jedes Jahr, nur das man sich über mehrere Monate hinweg nicht gesprochen hat. Fast alle werfen gelegentlich einen Blick auf meinen Blog, und von daher wissen sie viel mehr über mich als umgekehrt. Somit erkundige ich mich mehr nach ihren Neuigkeiten. Zwischendurch halte ich inne und lausche dem Gebrabbel der dutzenden Gäste in
diesem Laden. Ja, es wird Deutsch gesprochen. Sogar die Getränke-Tafel ist in dem Alphabet geschrieben, das ich als Kind in der Schule lernte. Für einen kleinen Moment fühle ich mich heimisch und nehme einen tiefen Schluck auf meinem Glas. Westernhagens Liedzeilen erklingen in meinem geistigen Ohr: „Ich bin wieder hier, in meinem Revier. War nie wirklich weg, hab' mich nur versteckt.“ Es wird viel getrunken, viel gescherzt und viel gelacht. Und ich entdecke eine Gewohnheit, die ich bis jetzt noch nicht abstellen konnte. Ich bedanke, entschuldige und bestelle entweder auf Griechisch oder auf Englisch. Vor allem im Getümmel der Stadt rutscht mir dann
häufig ein „Sighnomi“ heraus, das griechische Wort für „Entschuldigung“. Bevor sich diese Angewohnheit wieder gelegt hat, werde ich bestimmt wieder in Griechenland sein. Sei es drum, es gibt wichtigeres im Leben.
Die Stunden vergehen, und während die Temperatur in der Kneipe konstant ist, kühlt es sich draußen merklich ab. Plötzlich spürt man ihn doch, den Unterschied zwischen Mittel- und Südeuropa. Das letzte Mal war ich im März mit solch kalten Temperaturen konfrontiert. Und dementsprechend schlotterte ich, zumal ich auch keine richtige Winterjacke an hatte. Vorbei geht es an toten Straßen und leblosen Häusern. Nur eine Frau mit Stöckelschuhen kreuzt meinen Weg. Ihr Gang kündigt sich aus der Ferne an, und er verschwindet auch so schnell wie er kam. Ich laufe zügig, um der Eiseskälte zu entgehen. Und dennoch gehe ich an dem Schaufenster des Spiel-und Bastelgeschäfts von Frau Hartmann vorbei. Schon als Kind stand ich davor und schaute mir die Spielzeug-Autos und andere Sachen an. Die Preise stehen handgeschrieben auf kleinen
Pappschildern. Sie sind aufgerundet wie in einem Mathe-Buch für Grundschüler, damit diese einfacher rechnen können. Und so landen meine Gedanken schnell in meiner Kindheit. Wie in einem Film rauschen 22 Jahre Oer-Erkenschwick an meinen Augen vorbei. Aber warum ist das so?
Hat Athen, die Metropole und das Moloch, ein riesiges Loch in meine Seele geschlagen, welches ich nun wieder mit dem Leben und den Erinnerungen von Altbekanntem füllt? Ich kann es nicht mit Gewissheit sagen. Ich weiß nur, dass ich in diesen Tagen müde bin und wieder länger schlafe als gewohnt. Mir scheint, als wäre der Heimatbesuch ein Urlaub vom Auslandssemester. Meine Batterien sind nicht leer, aber ich spüre nun eindeutig, wieviel Energie mich das Leben in Athen kostet. Und nun wird regeneriert, auch wenn dies mit einem Tag im Bett verbunden ist. Aber ich will hier nicht vorweg greifen, und chronologisch weiter erzählen.
Am 1. Weihnachtsfeiertag war ich doch noch arg mitgenommen vom Abend zuvor und beschloss, einen langen Spaziergang durch die Haard zu machen. Viele Familien hatten die selbe Idee und gingen durch den Wald, der so schön nach Harz und Holz riecht. Ich ging auch zum Feuerwachtturm, von welchem man aus 36m Höhe einen exzellenten Blick über das gesamte Gebiet hat. Wieder daheim gab es leckeres Abendessen. Später ging ich dann rüber zu meiner Schwester, und wir unterhielten uns knapp 4 Stunden über Gott und die Welt. Das war sehr angenehm und genau das Richtige für einen Tag wie diesen.
Am 2. Weihnachtsfeiertag ging es zu meinen Verwandten nach Waltrop. Dort war es nicht minder schön, die ganzen Gesichter wiederzusehen. Es war auch das erste richtige Familientreffen nach dem Tode meiner Oma im Juli, und obwohl die Stimmung gelöst schien, merkte man unterschwellig doch eine Trauer, die dieses Weihnachtsfest überschattete. Meine beiden Cousins brachten knifflige Spiele mit, die sie von meinem Onkel geschenkt bekommen hatten. Jeder kennt doch diese Konzentrations- und Kombinationsspiele vom Weihachsmarkt, bei denen man z.B. ein kleines Stück Seil, das sich in einem Drahtgestell befindet, heraus bekommen muss. Dann wendet und dreht man alles hin- und her, um eine Lösung zu finden. Ich habe sie jedoch nicht gefunden und ließ mir von Lars und Marc gerne zeigen, wie genau ich was
zu stecken habe, um beide Teile voneinander zu lösen.
Tante Bärbel gab mir noch einen dicken Sack Vanillekipferl mit (der mittlerweile zu ¾ aufgebraucht ist) und ich fuhr meine Eltern und mich anschließend wieder zurück nach Erkenschwick. Auto fahren habe ich nicht verlernt, auch wenn das letzte Mal nun schon fast ein halbes Jahr zurück liegt.
Naja, und vorgestern brachten mich meine Eltern nach Dortmund. Als wir dann irgendwann über die Brücke des Zubringers zur A45 fuhren und ich das „U“ sah, fühlte ich mich recht wohl und genoss das Gefühl, auf dem Weg in meine jetzige Heimatstadt zu sein. Als wir in der Nähe von Seldas Haus ankamen, holte ich meinen Kram aus dem Kofferraum, bedankte mich bei meinen Eltern und machte mich dann auf den kurzen Weg zur Türklingel. Tja, und Selda hat sich was ausgedacht: Als ich die Haustür öffnete, gab es lautes Gegröhle aus tausenden Kehlen. Dann mischte sich die Stimme von Axl Rose dazwischen, und er sagte: „You know where you are. You're in the jungle, baby!“ Und dann legten Guns 'n Roses los, während meine beste Freundin und ich uns
in Arme fielen. Meine Güte, war das schön. Ihr schönes, buntes Wohnzimmer hat sie nun für mich zu meinem eigenen Schlafzimmer umgewandelt. Und so schlafe und lebe ich nun in diesem Raum, umgeben von bunten Tüchern, Tulpen und Kerzenständern. In diesen vier Wänden habe ich mich schon seit jeher wohl gefühlt. Umso schöner, dass ich nun hier wohnen kann...
Wir unterhielten uns lang und breit über Gott und die Welt. Über Athen, über Dortmund und über unsere Erfahrungen in den letzten drei Monaten. Irgendwann holten wir noch Wein von der Tanke und liefen Arm in Arm zurück zu ihrer Wohnung. Und obwohl es nun schon mein dritter Tag hier ist, habe ich noch nicht das Gefühl, dass alles gesagt worden ist. Von beiden Seiten. Aber wir haben noch einige Momente, die wir miteinander verbringen. Und nicht nur wir beide. Annegret habe ich bis dato noch nicht gesehen. Bei den Leuten vom Edwards werde ich auch noch vorbei schauen,
genauso wie bei einigen Mit-Studierenden von der Uni. Darauf freue ich mich, und diese Begegnungen werden mir mit Sicherheit die Kraft geben, die ich für den Endspurt in Athen benötige. Dort wartet nämlich ein Batzen Arbeit auf mich (allerdings nicht mehr die “To-Do-Liste“, denn die habe ich komplett erledigt). Die Monate Januar und Februar werden recht arbeitsintensiv und mich gnadenlos an den Schreibtisch binden. Und obwohl das neue Jahr in der nächsten Woche beginnt, möchte ich in diesen Stunden gar nicht daran denken. Zumindest nicht an die griechische Hauptstadt und all ihren Trubel. Ich bin jetzt in Dortmund und genieße diese Zeit. Jeder Augenblick
hier ist kostbar wahrlich Balsam für meine Seele.
--
Das Video der Woche geht auf einen Zufallsfund bei „YouTube“ zurück. Tippt man dort „Oer-Erkenschwick“ ein, erscheint dort u.a. das Video von „A.D.A.M“, einem Homie dieser Stadt. Er hatte die famose Idee, Oer-Erkenschwick einen Hip-Hop-Song zu widmen. Dieser ist nicht unbedingt nach meinem Geschmack, bietet aber für Leute, die mit dieser Stadt nichts anfangen können, ein paar recht ansehnliche Bilder. Film ab für „A.D.A.M“ und seinen Erkenschwick-Rap.
...ich wache schon vor der eingestellten Weckzeit auf und gehe in die Küche, um mir ein kleines Frühstück zu bereiten. Sieben Uhr morgens in Athen. Weihnachtstag und alles schläft. Ich putze mir die Zähne und packe den Kulturbeutel in den Koffer. Schuhe anziehen, Rollos herunterlassen und „ByeBye-Zettel“ unter die Türen schieben. Ein letzter Blick, bevor ich die Tür schließe und mich auf den Weg zum Flughafen mache. Ein milder Morgen. Mein Koffer klackert auf dem modernen Kopfsteinpflaster und zieht einige Blicke auf sich. In der Metro sehe ich viele Kinder, die eine Triangel schlagen und dazu ein Liedchen singen. Danach sammeln sie Geld von der Fahrgästen, die es ihnen offensichtlich auch gerne geben. Am Flughafen erwartet mich eine kleine Fee, die mir ein Schokoladenstück in die Hand drückt. Darauf steht „Happy new year“ geschrieben. Neben ihr watschelt ein Daffy Duck, der von etlichen Kindern umringt wird. Ich gehe weiter zum Terminal A 12-14 und gebe meinen Koffer auf. Danach geht’s direkt durch den Sicherheits-Check in die Wartehalle. Der Flieger kommt, ich steige in den Bus und steige in den Airbus, welcher u.a. über die Alpen fliegt...und der mich nach Hause bringt.
Landeanflug. Ich sehe die kahlen Bäume und weiße Schrift auf blauen Autobahnschildern. 3-2-1 Touchdown. Peinlicherweise klatschen die Fluggäste. Ich schaue aus dem Fenster und weiß nun ganz genau, wieder in dem Land zu sein, in das ich mich in so vielen Momenten hin sehnte. Ja, ich werde sentimental. Der Gedanke, meinen Vater gleich zu sehen erzeugt emotionale Schübe und benetzt meine Augen mit einem leichten Tränenfilm. Aber ich reiße mich zusammen, hole meinen Koffer und gehe zum Ausgang. Da steht er, der Bär. Wir umarmen uns und gehen zum Auto. Vorbei
geht es an den Köln, Wuppertal und Recklinghausen. Meine Augen saugen die Landschaft auf wie Schwamm. Alles ist mir so bekannt, und dennoch entdecke ich nun einiges neu.
Als ich die Haustür öffne und meine Mutter mich sieht, lässt sie alles stehen und liegen, umarmt mich ganz feste und küsst meine Wangen. Sie hat sich bestimmt auf die Zehenspitzen gestellt um das zu bewerkstelligen. Und da standen wir für gefühlte 10 Minuten und drückten uns. Es ist ein unglaublich eindringliches und warmes Gefühl, wenn man sich nach mehreren Monaten das erste Mal wieder gegenübersteht. Wenn die große und unüberwindlich erscheinende Distanz nun nicht mehr vorhanden ist und die geliebten Menschen zum Greifen nahe sind. Dann erscheinen einem die vergangenen Wochen, die in der Ferne manchmal nie enden wollten, wie ein Wimpernschlag. Ein kleiner Augenblick, welcher auch gestern hätte stattfinden können.
Wir aßen zu Abend und hörten das Weihnachts-Album von James Last, das zwar kitschig-idyllisch ist, aber doch immer wieder zum gegebenen Anlass passt. Später gingen wir ins Wohnzimmer und der Reihe nach überreichte jeder jedem seine Geschenke. Meine Eltern und meine Oma haben sich sehr über die Vasen aus Athen gefreut. Genauso wie meine Schwester, der ich ein schmuckes Shirt aus Hellas mitbrachte. Ich selber wurde ebenfalls reich beschenkt mit DVD's, Schlafanzügen (Oh Mann, ich werde alt ;-)), Geld und Büchern. Tereza hat mir auch ein Geschenk mitgegeben. Ein Bilderbuch zum Ausmalen, in welches sie auf Griechisch, Englisch, Tschechisch und Deutsch
Gedichte hineinschrieb, die unsere Freundschaft untermauern sollen. Darüber, und über viele andere Dinge habe ich mich sehr gefreut. Am meisten freute es mich jedoch, wieder im Kreise der Familie zu sein. Wir tranken Wein und ich erzählte ein wenig von Athen. So wurden Sekunden zu Minuten und Minuten zu Stunden.
Gegen halb elf verabschiedete ich mich, um, wie jeden Heiligabend, in den „Wurstkessel“ zu gehen.
Ich zog also meine Schuhe an, streifte mir eine Jacke über und packte meine Handschuhe in die Tasche. Dann verließ ich das Haus und hörte etwas, was ich schon lange nicht mehr so intensiv wahrnahm: Stille. Sie drang durch meine Ohren wie ein heilender Balsam, wirkte wie „Wick Vapo-Rub“ auf erkälteten Atemwegen oder wie Wasser, das man auf loderndes Feuer gießt. Sie drang in mich und verteilte sich in meinem ganzen Körper. Es war viel zu schön, um wahr zu sein. Selten habe ich mich so gefreut, wieder in Oer-Erkenschwick zu sein. Der Stadt, in welcher mir auf dem
Weg in diese Kneipe nur 3 Menschen und 5 Autos entgegenkamen. Die Stadt, in der die Sparkasse steht, in der in 2 Jahre gearbeitet habe und die ich mit einem dicken Stinkefinger bedachte, weil es mir nun als Student viel besser geht. Und nicht zuletzt die Stadt, die die Heimat vieler Freunde und Kollegen ist...
Ich öffne die Tür des Wurstkessels und entdecke sie, die bekannten Gesichter. Man grüßt sich, drückt sich, trinkt etwas miteinander. Fast so wie jedes Jahr, nur das man sich über mehrere Monate hinweg nicht gesprochen hat. Fast alle werfen gelegentlich einen Blick auf meinen Blog, und von daher wissen sie viel mehr über mich als umgekehrt. Somit erkundige ich mich mehr nach ihren Neuigkeiten. Zwischendurch halte ich inne und lausche dem Gebrabbel der dutzenden Gäste in
diesem Laden. Ja, es wird Deutsch gesprochen. Sogar die Getränke-Tafel ist in dem Alphabet geschrieben, das ich als Kind in der Schule lernte. Für einen kleinen Moment fühle ich mich heimisch und nehme einen tiefen Schluck auf meinem Glas. Westernhagens Liedzeilen erklingen in meinem geistigen Ohr: „Ich bin wieder hier, in meinem Revier. War nie wirklich weg, hab' mich nur versteckt.“ Es wird viel getrunken, viel gescherzt und viel gelacht. Und ich entdecke eine Gewohnheit, die ich bis jetzt noch nicht abstellen konnte. Ich bedanke, entschuldige und bestelle entweder auf Griechisch oder auf Englisch. Vor allem im Getümmel der Stadt rutscht mir dann
häufig ein „Sighnomi“ heraus, das griechische Wort für „Entschuldigung“. Bevor sich diese Angewohnheit wieder gelegt hat, werde ich bestimmt wieder in Griechenland sein. Sei es drum, es gibt wichtigeres im Leben.
Die Stunden vergehen, und während die Temperatur in der Kneipe konstant ist, kühlt es sich draußen merklich ab. Plötzlich spürt man ihn doch, den Unterschied zwischen Mittel- und Südeuropa. Das letzte Mal war ich im März mit solch kalten Temperaturen konfrontiert. Und dementsprechend schlotterte ich, zumal ich auch keine richtige Winterjacke an hatte. Vorbei geht es an toten Straßen und leblosen Häusern. Nur eine Frau mit Stöckelschuhen kreuzt meinen Weg. Ihr Gang kündigt sich aus der Ferne an, und er verschwindet auch so schnell wie er kam. Ich laufe zügig, um der Eiseskälte zu entgehen. Und dennoch gehe ich an dem Schaufenster des Spiel-und Bastelgeschäfts von Frau Hartmann vorbei. Schon als Kind stand ich davor und schaute mir die Spielzeug-Autos und andere Sachen an. Die Preise stehen handgeschrieben auf kleinen
Pappschildern. Sie sind aufgerundet wie in einem Mathe-Buch für Grundschüler, damit diese einfacher rechnen können. Und so landen meine Gedanken schnell in meiner Kindheit. Wie in einem Film rauschen 22 Jahre Oer-Erkenschwick an meinen Augen vorbei. Aber warum ist das so?
Hat Athen, die Metropole und das Moloch, ein riesiges Loch in meine Seele geschlagen, welches ich nun wieder mit dem Leben und den Erinnerungen von Altbekanntem füllt? Ich kann es nicht mit Gewissheit sagen. Ich weiß nur, dass ich in diesen Tagen müde bin und wieder länger schlafe als gewohnt. Mir scheint, als wäre der Heimatbesuch ein Urlaub vom Auslandssemester. Meine Batterien sind nicht leer, aber ich spüre nun eindeutig, wieviel Energie mich das Leben in Athen kostet. Und nun wird regeneriert, auch wenn dies mit einem Tag im Bett verbunden ist. Aber ich will hier nicht vorweg greifen, und chronologisch weiter erzählen.
Am 1. Weihnachtsfeiertag war ich doch noch arg mitgenommen vom Abend zuvor und beschloss, einen langen Spaziergang durch die Haard zu machen. Viele Familien hatten die selbe Idee und gingen durch den Wald, der so schön nach Harz und Holz riecht. Ich ging auch zum Feuerwachtturm, von welchem man aus 36m Höhe einen exzellenten Blick über das gesamte Gebiet hat. Wieder daheim gab es leckeres Abendessen. Später ging ich dann rüber zu meiner Schwester, und wir unterhielten uns knapp 4 Stunden über Gott und die Welt. Das war sehr angenehm und genau das Richtige für einen Tag wie diesen.
Am 2. Weihnachtsfeiertag ging es zu meinen Verwandten nach Waltrop. Dort war es nicht minder schön, die ganzen Gesichter wiederzusehen. Es war auch das erste richtige Familientreffen nach dem Tode meiner Oma im Juli, und obwohl die Stimmung gelöst schien, merkte man unterschwellig doch eine Trauer, die dieses Weihnachtsfest überschattete. Meine beiden Cousins brachten knifflige Spiele mit, die sie von meinem Onkel geschenkt bekommen hatten. Jeder kennt doch diese Konzentrations- und Kombinationsspiele vom Weihachsmarkt, bei denen man z.B. ein kleines Stück Seil, das sich in einem Drahtgestell befindet, heraus bekommen muss. Dann wendet und dreht man alles hin- und her, um eine Lösung zu finden. Ich habe sie jedoch nicht gefunden und ließ mir von Lars und Marc gerne zeigen, wie genau ich was
zu stecken habe, um beide Teile voneinander zu lösen.
Tante Bärbel gab mir noch einen dicken Sack Vanillekipferl mit (der mittlerweile zu ¾ aufgebraucht ist) und ich fuhr meine Eltern und mich anschließend wieder zurück nach Erkenschwick. Auto fahren habe ich nicht verlernt, auch wenn das letzte Mal nun schon fast ein halbes Jahr zurück liegt.
Naja, und vorgestern brachten mich meine Eltern nach Dortmund. Als wir dann irgendwann über die Brücke des Zubringers zur A45 fuhren und ich das „U“ sah, fühlte ich mich recht wohl und genoss das Gefühl, auf dem Weg in meine jetzige Heimatstadt zu sein. Als wir in der Nähe von Seldas Haus ankamen, holte ich meinen Kram aus dem Kofferraum, bedankte mich bei meinen Eltern und machte mich dann auf den kurzen Weg zur Türklingel. Tja, und Selda hat sich was ausgedacht: Als ich die Haustür öffnete, gab es lautes Gegröhle aus tausenden Kehlen. Dann mischte sich die Stimme von Axl Rose dazwischen, und er sagte: „You know where you are. You're in the jungle, baby!“ Und dann legten Guns 'n Roses los, während meine beste Freundin und ich uns
in Arme fielen. Meine Güte, war das schön. Ihr schönes, buntes Wohnzimmer hat sie nun für mich zu meinem eigenen Schlafzimmer umgewandelt. Und so schlafe und lebe ich nun in diesem Raum, umgeben von bunten Tüchern, Tulpen und Kerzenständern. In diesen vier Wänden habe ich mich schon seit jeher wohl gefühlt. Umso schöner, dass ich nun hier wohnen kann...
Wir unterhielten uns lang und breit über Gott und die Welt. Über Athen, über Dortmund und über unsere Erfahrungen in den letzten drei Monaten. Irgendwann holten wir noch Wein von der Tanke und liefen Arm in Arm zurück zu ihrer Wohnung. Und obwohl es nun schon mein dritter Tag hier ist, habe ich noch nicht das Gefühl, dass alles gesagt worden ist. Von beiden Seiten. Aber wir haben noch einige Momente, die wir miteinander verbringen. Und nicht nur wir beide. Annegret habe ich bis dato noch nicht gesehen. Bei den Leuten vom Edwards werde ich auch noch vorbei schauen,
genauso wie bei einigen Mit-Studierenden von der Uni. Darauf freue ich mich, und diese Begegnungen werden mir mit Sicherheit die Kraft geben, die ich für den Endspurt in Athen benötige. Dort wartet nämlich ein Batzen Arbeit auf mich (allerdings nicht mehr die “To-Do-Liste“, denn die habe ich komplett erledigt). Die Monate Januar und Februar werden recht arbeitsintensiv und mich gnadenlos an den Schreibtisch binden. Und obwohl das neue Jahr in der nächsten Woche beginnt, möchte ich in diesen Stunden gar nicht daran denken. Zumindest nicht an die griechische Hauptstadt und all ihren Trubel. Ich bin jetzt in Dortmund und genieße diese Zeit. Jeder Augenblick
hier ist kostbar wahrlich Balsam für meine Seele.
--
Das Video der Woche geht auf einen Zufallsfund bei „YouTube“ zurück. Tippt man dort „Oer-Erkenschwick“ ein, erscheint dort u.a. das Video von „A.D.A.M“, einem Homie dieser Stadt. Er hatte die famose Idee, Oer-Erkenschwick einen Hip-Hop-Song zu widmen. Dieser ist nicht unbedingt nach meinem Geschmack, bietet aber für Leute, die mit dieser Stadt nichts anfangen können, ein paar recht ansehnliche Bilder. Film ab für „A.D.A.M“ und seinen Erkenschwick-Rap.
Abonnieren
Posts (Atom)