Mittwoch, 16. Januar 2008

Alltag - Gossip

Wieder in Athen. Wieder in meinem Bett und wieder mit schöner Musik. Damien Rice hat mein volles Vertrauen und wird mich in den nächsten Minuten begleiten. Vorbei ist die schöne und viel zu kurze Zeit in Deutschland. Eine letzte Dusche mit Papas Silberglanz-Shampoo von Guhl, ein letztes Mal vorbei an den Gyros-Buden, die sich „Mykonos-Grill“ oder „Akropolis-Taverne“ nennen und dem Pott einen Hauch von Griechenland verpassen wollen. Eine letzte Umarmung mit allen Menschen, die mir wichtig sind und die mich wohlbehalten im März wiedersehen wollen. Ein letzter Schritt auf heimischem Boden, bevor die Füße die Treppe zum Flugzeug hinaufsteigen und dieses Richtung Süd-Osten steuert. Mit Markus und Julia an Bord, die nun auch wieder hier sind.
Vorbei die Zeit, aber immer noch in mir. Vor allem wenn ich sehe, wie sehr ich meinen Akku in diesen 19 Tagen aufgeladen habe. Die Zeit bei meiner Familie und bei Selda hat mir sehr gut getan und mir das gegeben, was ich für die verbleibenden Wochen in dieser Stadt brauche: Stille, innere Ruhe und Konzentration. Mein Programm ist üppig...

In den nächsten 4 Wochen muss ich zwei Hausarbeiten fertig haben. Zwischendurch schreibe ich noch zwei Klausuren und werde bereits in der kommenden Woche ein Referat halten. In den letzten Tagen habe ich mir noch einige Infos aus den Dortmunder Bibliotheken besorgt. Der Großteil der Bücher finde ich jedoch hier in der Bereichsbibliothek. Und so sitze ich nun seit Beginn dieser Woche sehr häufig über den Büchern und schreibe mir das Wichtigste aus ihnen heraus. Vorerst beschäftige ich mich mit Heinrich von Kleist, seinem „zerbrochnen Krug“ und dessen Rezeption.
In der kommenden Woche wende ich mich dann nochmal Herrn Gellert und der Empfindsamkeit zu, bevor es in der darauf folgenden Woche bereits die erste Klausur des Jahres gibt.

Und was geschieht neben dem Uni-Leben?
Ich wurde sehr warm und freundlich von meinen Mitbewohnern empfangen. Louis lud mich direkt auf eine Franzosen-Party ein, welche ich dem Auspacken des Koffers und einem kleinen Abendbrot auch besucht habe. Tereza war mit von der Partie. Tja, da waren sie wieder, die bekannten Gesichter. Ondrej hatte Besuch aus Tschechien, der ihm die langen Haare abschnitt und ihn optisch 4-5 Lebensjahre nahm.
Jirka ist auch wieder hier. Er wirkt erholt, lässt sich aber seltener blicken. Kein Wunder, denn er muss ziemlich viel Stoff für die Klausuren nachholen. Es ist dennoch schön, ihn wieder hinter meiner linken Zimmerwand zu wissen. Louis zur Rechten hört nach wie vor seine wilde Rock- Pop-Suppe und singt gelegentlich dazu. Heute hat er sich ein Lautsprecherset für seinen Laptop gekauft, weil dessen Boxen schon arg stöhnen. Demnächst werden Bands wie 'Led Zeppelin' oder 'Bachmann Turner Overdrive' mit mehr Bass in dieser Wohnung zu hören sein. Von mir aus gerne. Vorausgesetzt, es passiert nicht allzu spät. Aber da lässt Louis mit sich reden.

Hier ist alles im Lot. Vorhin habe ich meine nasse Wäsche aufgehangen und ein wenig mit Lucia gesprochen. Diese chattete gerade mit Despina, welche sich im Nebenzimmer befand. Ich habe laut darüber gelacht, und Despina schrieb Lucia umgehend, dass sie meine Lache mag. Lucia hat Despina zuvor jedoch davon erzählt, dass zwei meiner Unterhemden nun einen besch... roten Ton haben, da mein schmucker Pullover aus Nicki doch noch abfärbte. Despina teilte mir über Lucia mit, dass sie das Problem kenne und ich nicht traurig sein solle. Ich lachte wieder und bedankte mich lauthals für Despinas Mitgefühl. Diese stieß einen zustimmenden Ton aus dem Nebenzimmer aus. Nachdem ich alles aufgehangen war, sagte ich kurz „see you“ zu Lucia, und sie war kurz davor, mir ihr „see you“ auf der Tastatur zukommen zu lassen.
So ist das heute. Wenn ich nicht wüsste, dass die beiden Mädels nicht noch andere Sachen zu tun haben, würde ich mir ernste Sorgen machen. Das sind schon zwei Trullas ;-)

Und Athen selbst?
Die Stadt brodelt und pulsiert wie eh und je. Heute morgen gab es eine schöne, bezeichnende Lektion in griechischer Ordnung. Ein Auto hatte auf der Patission geparkt und wurde umgehend abgeschleppt. Die Polizei griff hart durch, schraubte sogar die Nummernschilder des Wagens ab und drückte diese dem verzweifelten, wild herumgestikulierenden Besitzer in die Hand. Da war nichts zu machen: Du hast den Verkehr aufgehalten, und nun musst Du dafür bluten. Ich ging die Straße weiter hinunter zur Bushaltestelle. An einem Kiosk hielt ebenfalls ein Wagen.
Als nun die Polizei mit dem bereits abgeschleppten Wagen im Schlepptau eben jenen Wagen sahen, hielten sie kurzerhand an und diskutierten wild mit dessen Besitzer. Nun waren insgesamt 2 der 3 Fahrbahnen blockiert, so dass sich der Verkehr wiederum über mehrere Meter staute. Wahnsinn.
Der Fahrer des LKW, dessen Beifahrer und der Besitzer des Autos kloppten sich verbal, und kurz hatte ich den Eindruck, sie würden aussteigen und weiß der Henker was machen.
So ist das manchmal hier. Der Staat versucht Struktur und Disziplin unter das Volk zu bringen, und schafft dadurch noch mehr Verwirrung. Manchmal schafft er jedoch auch ganz von selbst Unordnung. Momentan liegen zwei enge Berater des amtierenden griechischen Ministerpräsidenten Karamanlis im Athener Krankenhaus. Der eine hat seinen Aufgabenbereich bei der Kultur, der andere in der Wirtschaft. Als der Kulturberater nun einige Mittel für ein Archäologie-Projekt streichen wollte, verführte dessen Leiterin kurzerhand den beleibten Mann und erpresste diesen mit dem entstandenen Sex-Video. Dieser suchte dann kurz vor Silvester den Freitod, allerdings verfehlte der Sprung aus dem 4. Stock seine Wirkung. Der andere Berater steht unter dringendem Korruptionsverdacht, da warf er sich kurzerhand vor einen anrollenden LKW. Beide überlebten schwer-verletzt und lassen die aktuelle Regierung in einem schlechten Licht dastehen, welche momentan wohl alles andere als gut ankommt. Vor allem in der Presse.

Vielleicht wird die nächste Regierung wieder mehr linksgerichtet. Die Kommunisten haben heute in der Uni wieder einmal Propaganda betrieben und das gesamte Gebäude mit ihren Denkschriften beschallt. In den Redepausen liefen dann Stücke von 'System of a down' oder den altbekannten 'Rage against the machine'. Ich hatte heute keinen Unterricht, aber es muss schon eine spaßige Erfahrung gewesen sein, in einem Raum zu sitzen und dem Dozenten zu lauschen, während aus der Ferne die Worte „Fuck you I won't do what you tell me“ aus großen Lautsprechern knallen. So was habe ich sonst nur in einer Disko erlebt, aber nicht an der Uni. Ich habe manchmal echt den Eindruck, die Leute können hier machen was sie wollen. Vielleicht ist es auch so. Sehr sympathisch, aber nicht gerade der richtige Ort. An der Uni möchte ich Ruhe haben, damit es mit dem Lernen besser läuft. Die Uni in Athen ist Treffpunkt der linken Szene und auch deren Spielplatz. Und wenn sie Lust haben, machen sie daraus kurzerhand einen Club. Ganz gleich, ob gerade unterrichtet wird oder nicht. „Killing in the name of“ - Heute haben sie für kurze Zeit meine Konzentration getötet. Rabauken.

Bei Gesprächen in der Mensa stelle ich immer wieder fest, wie gerne einige Studenten gleich in der Heimat geblieben wären. Vor allem die Spanier tun sich schwer damit nun wieder hier zu sein. Sara aus Rom hat die Schnauze so richtig voll. Sie schreibt in der nächsten Woche ihre einzige Klausur und verzieht sich dann wieder Richtung Italien. Sie hasst Athen. Viele andere Leute können mit dieser Stadt nicht viel anfangen, und so kann ich die Zahl derer, die sich wirklich für sie begeistern können, an zwei Händen abzählen. Vielen Studenten raubt der Verkehr unzählige Nerven, und der Smog macht sie wirr und anfällig für Erkältungen. Athen soll übrigens dahingehend die zweitschlimmste Hauptstadt der Welt sein. Vor ihr rangiert nur noch Mexiko-City. Viel Spaß all denen, die da mal hin müssen.

Ich habe nun fast zwei Wochen nichts mehr von mir hören lassen, und habe aufgrund des vielen Lesens und Schreibens auch nicht viel neues zu berichten. Gleich werde ich mich auch noch einmal an den Schreibtisch setzen und mit dem Handout für mein Referat beginnen.

Auf bald. Ben


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Mein Video der Woche ist ein gestelltes. Ganz sicher gestellt.

1 Kommentar:

  1. Hier ist die passende Werbung zu Deinem Video der Woche:
    http://www.youtube.com/watch?v=pPqCdwrz73g&feature=related
    MFG Benni

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